Kommentar:Vorbild moderner Erinnerungskultur

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Das Land braucht Lehrer, die ihren Schülern Zeit geben, sich intesiv mit den dunklen Kapiteln der deutschen Geschichte auseinanderzusetzen. Solche Lehrer wie am Gymnasium Markt Schwaben

Von Karin Kampwerth

Solche Lehrer braucht das Land. Die nicht nur mit Zahlen, Daten und Fakten das dunkelste Kapitel deutscher Geschichte aufarbeiten, wie es Simone Fleischmann, Präsidentin des Bayerischen Lehrerinnen- und Lehrerverbandes, formulierte, sondern befördern, dass die Erinnerung Teil des eigenen Erlebens wird.

Es braucht Lehrer, die ihren Schülern Zeit geben, intensiv in die Biografien von Menschen einzutauchen, die aufgrund ihres Aussehens, ihrer Herkunft oder ihrer Religion im Nationalsozialismus verfolgt wurden. Um solche Schüler muss einem nicht angst und bange sein, dass sie auf populistisches Geschwätz radikaler Demagogen reinfallen. Wer sich einmal anhand persönlicher Schicksale damit beschäftigt hat, wie krank der Rassenwahn der Nazis war, die Menschen in Vernichtungslagern wegsperrten, sie dort vor ihrer Ermordung unvorstellbar physisch und psychisch quälten und ihnen jegliche Würde nahmen, nur, weil sie jüdischen Glaubens waren, wird jeglichem Versuch der Ausgrenzung als Nährboden von Hetze und Hass entschieden entgegentreten. Das ist spätestens, seitdem der inzwischen pensionierte Geschichtslehrer Heinrich Mayer im Jahr 2007 die Aufarbeitung des Dritten Reichs mit dem Projekt "Vergessener Widerstand" am Franz-Marc-Gymnasium etabliert hat, außenwirksames Credo der Schule.

Das Markt Schwabener Gymnasium dient als hervorragendes Vorbild für eine moderne Erinnerungskultur, die umso wichtiger wird, je weniger Zeitzeugen es gibt, die jungen Leuten erzählen, welch furchtbare Folgen jede Art menschenverachtender Geisteshaltung haben kann. Wie gut, dass die Schule mit einer neuen Ausstellung, die am Mittwochabend eröffnet wurde, auch nach Mayers Pensionierung diese Lerntradition konsequent weiterführt. Noch besser, wenn es jede Schule im Landkreis als Pflicht erachten würde, mit ihren neunten Klassen die aktuelle Ausstellung in Markt Schwaben zu besuchen, die vier von Gymnasiasten recherchierte Biografien jüdischerer Lehrer im Rahmen der Wanderausstellung "Namen statt Nummern" des Dachauer Forums zeigt. Für die Zukunft sollten sich die Kultusminister aber dringend Gedanken darüber machen, ein Fach mit dem Namen "Erinnerung" fest in den Lehrplänen zu verankern. Denn noch, so Simone Fleischmann, sei diese Lernkultur allein dem freiwilligen Einsatz engagierter Lehrer zu verdanken.

© SZ vom 02.02.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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