Kommentar:Von wegen benachteiligt

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Ausgerechnet im Streit um ein soziales Thema erreicht das soziale Miteinander in Straußdorf einen Tiefpunkt

Von Thorsten Rienth

Als in der vergangenen Woche immer klarer wurde, dass es mit der angedachten zweiten Kindergartengruppe nichts werden würde, freuten sich so manche Straußdorfer Eltern geradezu diebisch. Lauten Rabatz müsse man machen, und schon ließen sich politische Entscheidungen rückgängig machen, hier: die zweite Kindergartengruppe im örtlichen St. Margareth-Kindergarten. Einigen Eltern ist sie ein Graus. Denn sie ginge zu Lasten des Turnraums der bestehenden ersten Gruppe. Sollen die weniger glücklichen Grafinger Eltern doch schauen, wo sie ohne Kita-Platz bleiben - Hauptsache, es gibt genug Platz zum Turnen. Ausgerechnet im Streit um eine soziale Einrichtung erreicht das soziale Miteinander in Straußdorf einen Tiefpunkt.

Der Protest gegen die Kindergartengruppe ist Symptom einer Entwicklung, deren Ursache Jahrzehnte zurückliegt. Praktisch seit der Gebietsreform Ende der 1970er Jahre wird in dem Ortsteil eine subtile Mär gestrickt. Verkürzt besagt sie: Straußdorf sei bei der Eingliederung nach Grafing übervorteilt worden. Nun, so eine verbreitete Lesart, wolle Grafing auch noch den Straußdorfer Kindern an den Turnraum, respektive dem Chor und den Trachtlern an ihre Räume.

Befeuert werden solche Argumentationsketten auch vom Zweiten Bürgermeister und CSU-Stadtrat Josef Rothmoser. Der Straußdorfer verweist auf eine Vereinbarung aus dem Jahr 1976. Demnach sei das Schulhaus mit dem dazugehörigen Grundstück "außerhalb des Schulbetriebs für kulturelle Zwecke zur Verfügung" zu stellen. Chor und Trachtlern stehe also ein vertraglich zugesichertes Bleiberecht zu. Basta! Die Konsequenz zählt aber nur dann, wenn sie ins Konzept passt: Als Anfang der 1990er Jahre auf dem Gelände das Feuerwehrhaus errichtet worden war, lehnte das auch niemand ab mit dem Hinweis auf die dann nicht-kulturelle Nutzung.

Kein Grafinger Ortsteil, nicht einmal Grafing Bahnhof, ist im politischen Grafing derart gut repräsentiert wie Straußdorf: einmal eben über Rothmoser als Zweiten Bürgermeister. Zum anderen über den Grafinger CSU-Chef Florian Wieser, ebenfalls aus Straußdorf. Der hat die mit Abstand größte Stadtratsfraktion hinter sich. Wer sich in Straußdorf übergangen fühlt, der möge sich also erst an diese beiden Herren wenden, ehe er pauschal den bösen Stadtrat und das böse Rathaus geißelt. Und er möge sich daran erinnern, dass Stadtrat und Rathaus gerade über eine Million Euro fürs Straußdorfer Dorferneuerungsprojekt zugesagt haben.

© SZ vom 13.08.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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