Kommentar:Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser

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Dass man in Grafing eine echte Verkehrszählung will, anstatt das Ampel-Konzept für die Innenstadt auf Grundlage einer acht Jahre alten Prognose zu entwickeln, ist eine sehr sinnvolle Entscheidung

Von Thorsten Rienth

Grafing räumt gerade mit einer gängigen Illusion der Verkehrsplanung auf: Dass sich in dicht besiedeltem Gebiet mit Ortsumfahrungen Probleme lösen lassen, ohne an anderer Stelle neue zu schaffen. Die Ostumfahrung, die im Herbst in Grafing eröffnet werden soll, entlastet zum Beispiel Wasserburger und Münchner Straße mächtig von Verkehr, Abgasen und Lärm. Anderswo, etwa in der Rotter Straße, ist der Effekt genau andersrum. An der Ostseite des Grafinger Marktplatzes, so warnen die Verkehrsplaner inzwischen, wird es sogar richtig eng. Wie grotesk, war ein Hauptgrund für die Elf-Millionen-Euro-Trasse doch die Entlastung des Marktplatzes.

Weniger Natur im Osten gegen die Entwicklungsmöglichkeiten einer ruhigeren Innenstadt, lautete der Deal, den Stadtrat, Straßenbauamt und Innenministerium den Grafingern in Aussicht stellten. Es zeigt sich, dass die Realität eine andere ist. Mit den Lederergassen-Anliegern gibt es nun eine weitere Gruppe von Leuten, die nach der Eröffnung der Ostumfahrung schlechter dasteht, als zuvor. Dabei wähnten sie sich als Marktplatz-Anrainer eigentlich auf der Seite der Profiteure.

In den vergangenen Wochen fiel der Grafinger Stadtrat durch zahlreiche Appelle an ehrliche und ergebnisoffene Debatten auf. Ehrlich wäre, den Bewohnern der Lederergasse einen unbequemen Fakt mitzuteilen: Dass die Belange eines kleinen Gässchens angesichts der Staatsstraßen-Direktverbindung, die da gerade zwischen Rosenheim und dem Münchner Flughafen entsteht, nichtig sind.

Um die Ergebnisoffenheit kümmert sich derweil Bürgermeisterin Angelika Obermayr (Grüne). Sie bat beim Landratsamt darum, die Entscheidung über die Ampeln doch bitte nicht auf Basis alter Prognosen aus dem Jahr 2009 zu treffen. Sondern lieber erst nach der Freigabe der Ostumfahrung im Herbst tatsächliche Verkehrszahlen zu erheben - und auf deren Grundlage die Entscheidung über die Ampeln treffen. Der Rückzug aus dem ursprünglichen Prozedere hat also nichts mit umknicken oder zurückrudern zu tun, wie es die ersten aus dem Stadtrat schon wieder schlechtreden. Er ist schlicht eine ziemlich weise Entscheidung.

© SZ vom 26.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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