Kommentar:Verkehrte Welt

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In der Diskussion um einen Sicherheitsdienst in Poing zeigt sich Überraschendes: Plötzlich sind SPD und Linke für einen Sicherheitsdienst, die CSU für den Dialog mit den Jugendlichen

Von Alexandra Leuthner

SPD-Gemeinderat Rainer Koch stöhnte auf, als er die Absicht seiner Fraktion, den Sicherheitsdienst drei weitere Monate laufen zu lassen, verteidigte: "Ich komme mir vor wie in einer verkehrten Welt." Ausgerechnet die Linken rufen - gemeinsam mit Freien Wählern - nach einem Ordnungsdienst, CSU und FDP sind dagegen. Auch die Grünen, doch mag das weniger überraschen.

Die CSU plädiert für einen kommunikativen Ansatz, für geschulte Kräfte, die mit den jungen Leuten reden, ihnen ganz ohne Uniform vermitteln: "Wir sind nicht gegen euch, wir wollen ein Miteinander." Das wolle auch er, versichert der SPD-Bürgermeister. Aber dass man ein bisserl mehr auf den Nachbarn achte, das wünsche er sich auch. Es ist aber die Frage, ob ein Sicherheitsdienst die allseits beschworene Harmonie befördert. Oder ob es nicht den Jugendlichen genau jenes Gefühl des Unerwünschtseins vermittelt, das ihnen angeblich keiner geben will. Und es kommt nicht von ungefähr, wenn mancher Poinger SPDler, gespeist aus seinem linken Gedächtnis, den mehr oder weniger impliziten Vorwurf überdeutlich hört, hier recht obrigkeitsstaatlich zu handeln. Die Frage muss aber auch erlaubt sein, wie die CSU reagiert hätte, würde sie den Bürgermeister stellen und für die Ruhe in Poing erste Verantwortliche sein.

Bürgermeister Hingerl beschwört das Konzept aus Sicherheitsdienst, Polizei und neuer Streetworkerin. Er hat sicher Recht, wenn er sagt, es brauche erst einmal Zeit, bis die junge Frau ein belastbares Vertrauensverhältnis zumindest zu dem zugänglichen Teil der Jugendlichen aufgebaut hat. Und auch die CSU hat Recht, wenn sie geschultes Personal fordert, das weiß, wie es Situationen, wie es sie in Poing - aber auch anderswo - gibt, gezielt deeskaliert. Wenn sich das bezahlen lässt, könnte das ein Zukunftsmodell sein - zumal die Gemeinde in der Vergangenheit vielleicht zu langsam reagiert hat, die Streetworkerstelle war seit 2011 vakant. Einschlägige Probleme aber gibt es schon länger, und dass aus dem Dorf Poing mit seinem rasanten Wachstum ebenso rasant eine Art Kleinstadt werden würde, mit all den Problemen die auftauchen, wenn zu viele Menschen auf einem Fleck leben, das hätte man auch schon früher erahnen können.

© SZ vom 11.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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