Kommentar:Unzuverlässiger Geschäftspartner

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Die Kooperation mit der Bahn erscheint einigen im Vaterstettener Gemeinderat sehr verlockend. Dabei müssten sie es doch eigentlich besser wissen

Von Wieland Bögel

Ein Angebot, das man nicht ablehnen kann. Diesen Satz haben vor bald einem halben Jahrhundert Mario Puzo und Francis Ford Coppola ihrem Don Corleone als Markenzeichen verpasst. Auch wer nicht mit dem Paten Geschäfte macht, kennt Angebote, die einfach zu gut klingen, als dass man sie ablehnen kann. In Vaterstetten scheint sich gerade ein solches aufzutun. Die Bahn will ein großes Mitarbeiterwohnheim bauen und der Gemeinde darin Räume für die Bücherei vermieten. Einige im Gemeinderat sind begeistert: Endlich kann die Bücherei aus ihren baufälligen und zu kleinen Räumen umziehen, und das auch noch ganz ohne Investition seitens der Gemeinde - schön wär's.

Es ist schon erstaunlich, mit welcher Euphorie manche Gemeinderatsmitglieder das Bahn-Angebot aufnehmen, obwohl sie lange genug in dem Gremium sitzen und es besser wissen müssten. Mit der Bahn Geschäfte zu machen, bedeutet für Kommunen vor allem eines: Verdruss. Davon können beispielsweise die Ebersberger ein Lied singen. Vor acht Jahren hatten sie auf eigene Kosten, immerhin 20 000 Euro, das Bahnhofsklo renoviert. Leider ist das nur benutzbar, wenn der Service-Store-Kiosk in Betrieb ist. Was mangels Pächter seit Jahren nicht der Fall ist. Auf einen solchen wartet man auch in Grafing seit Monaten vergebens, die Bahn hatte versprochen, endlich wieder einen Fahrkartenschalter einzurichten - aber das ist dann wohl irgendwo in der Bürokratie vergessen worden. Genau wie der Baldhamer Bahnhofskiosk, der jahrelang vor sich verfiel, bis die Bahn die baufällige Bude endlich abreißen ließ. Gleich daneben, in der Bahnunterführung, gibt es ein weiteres schönes Beispiel für die Fähigkeit der Bahn zu Kooperationen - oder eben deren Fehlen. Für eine halbe Million Euro saniert die Gemeinde derzeit die Stützwand der Bahnhofsunterführung. Der mittlere Abschnitt direkt unter den Gleisen bleibt indes im alten Zustand. Denn es war nicht gelungen, die Bahn zu bewegen, ihren Teil der Unterführung ebenfalls und gleichzeitig zu renovieren.

All dies sind kleine Ärgernisse im Vergleich zu dem, was Vaterstetten bevorstehen könnte, ließe sie sich auf den Bücherei-Deal mit dem Schienenkonzern ein: Die Bibliothek ist für die Gemeinde zu wichtig, als sie der Willkür eines Geschäftspartners zu unterwerfen, der erstens so unzuverlässig ist wie die Bahn und zweitens für die Interessen der Kommunen denkbar wenig übrig hat. Ein andrer berühmter Mann des großen Geldes, ein echter diesmal, nämlich Bankier Anthony de Rothschild, hat zu gewissen Angeboten vor 150 Jahren schon gesagt: Manchmal ist es das beste Geschäft, kein Geschäft zu machen.

© SZ vom 20.11.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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