Kommentar:Unter Hochdruck

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Hält die Entwicklung der Immobilienpreise im Landkreis Ebersberg an, können sich bald nur noch Spitzenverdiener das Leben hier leisten

Von Wieland Bögel

Es klingt wie eines dieser Geschäfte, von denen man besser die Finger lässt: Bis zu 14 Prozent Rendite pro Jahr in Zeiten von Negativzinsen und Nahe-Null-Inflation. Doch dieses Geschäft ist alles andere als riskant, bei Immobilien im Landkreis Ebersberg sind Profite möglich, die sich wohl mancher Trickbetrüger seinen Kunden wegen Unglaubwürdigkeit nicht anzupreisen trauen würde. So gut diese Nachricht nun für alle Immobilienbesitzer ist, so verheerend ist sie für alle anderen. Denn für immer mehr Leute, die eine Wohnung oder ein Haus kaufen oder auch nur mieten wollen, wird es im Landkreis immer öfter heißen: Hier gibt es nichts.

Schließlich sind Löhne und Gehälter eben nicht um 140 Prozent in zehn Jahren gestiegen, auch nicht um die rund 40 Prozent, welche die Mieten zwischen Anzing und Aßling in diesem Zeitraum durchschnittlich zugelegt haben. Selbst wer einigermaßen gut verdient, tut sich im Landkreis mittlerweile schwer, eine bezahlbare Bleibe zu finden, egal ob diese nun gemietet oder gekauft werden soll. Was bedeutet, dass sich im Landkreis eine Entwicklung beschleunigt, die bereits seit Jahren zu beobachten ist: Die Verdrängung mittlerer und unterer Einkommensschichten noch weiter weg vom Zentrum des Ballungsraumes. Eine Entwicklung übrigens, die in den Kommunen, besonders jenen an der S-Bahn, für das seit Jahrzehnten andauernde Bevölkerungswachstum verantwortlich ist. Die hohen Immobilienpreise in München drücken die Leute aufs Land, bis dieses kein Land sondern teure Vorstadt geworden ist, das wiederum die weniger wohlhabenden Leute ein paar Dutzend Kilometer weiter drückt.

Dass diese Entwicklung ihr Ende bald erreicht haben könnte, ist unwahrscheinlich, eher ist das Gegenteil der Fall. Je teurer Immobilien im Landkreis Ebersberg werden, desto weniger Bauland dürfte für günstigen Wohnraum zur Verfügung stehen. Zwar gibt es in einigen Gemeinden lobenswerte Ansätze, wie etwa sozialgerechte Bodennutzung (Sobon), wo bei Neubau- oder Nachverdichtungsprojekten ein Teil des Profits abgeschöpft wird, etwa für den Bau von Sozialwohnungen. Auch die Genossenschaften und das Wohnbauunternehmen des Landkreises tun ihren Teil, zumindest einen Grundstock an bezahlbaren Wohnungen bereitzustellen. Aber jenen Profit, der bei der "normalen" Wertsteigerung entsteht, kann eine Sobon nicht erfassen und die Genossenschaften können nur bauen, wenn sie denn die teuren Grundstücke dafür bekommen.

Auch angesichts des wohl auch in den kommenden Jahren anhaltenden Zuzuges in die Region, wird die Verdrängung nach außen weitergehen. Gut möglich, dass München und Umland eine ähnliche Entwicklung erlebt, wie man sie aus anderen europäischen Großstädten kennt: Wer nicht zu den Spitzenverdienern gehört, wird an den Rand gedrängt und das ganz wortwörtlich.

© SZ vom 06.04.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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