Kommentar:Unten bleiben

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Dass so wenig gegen Fluglärm unternommen wird, liegt nicht allein an Industrie- und Gewerbeinteressen. Auch die Bürger sind mit verantwortlich

Von Wieland Bögel

Frei wie ein Vogel. Diese Verheißung aus den Anfängen der kommerziellen Luftfahrt ist zwar längst überholt, wenn überhaupt einem Geflügel, gleicht der fliegende Passagier eher einem der bemitleidenswerten Geschöpfe aus der Hühnerfarm. Eines allerdings haben Vogel und Fluggast gemeinsam: Ihnen ist völlig egal, wenn das, was beim Fliegen rauskommt, unten am Boden Ärger verursacht. Doch während sich die Hinterlassenschaften der gefiederten Freunde meist rückstandsfrei mit etwas Wasser beseitigen lassen, sind jene von Flugzeugen deutlich hartnäckiger. Gegen den Krach hilft höchstens drinnen bleiben und (Schallschutz-)Fenster zu, was wohl nur bei den hartnäckigsten Stubenhockern auf Sympathie stößt. Daher sind Verbesserungsvorschläge wie jene der Fluglärmkommissionen, denen sich wohl auch viele Gemeinden im Landkreis anschließen, durchaus begrüßenswert. Nur: Zu große Hoffnung sollten sich die lärmgeplagten Anwohner nicht machen.

So dürfte auch das novellierte Fluglärmschutzgesetz vor allem ein Luftfahrtschutzgesetz werden. Schließlich handelt es sich bei Fluglinien, Flugzeugherstellern und Airportbetreibern um einen wichtigen Industrie- und Gewerbezweig. Dass deren Interessen hierzulande im Zweifel immer vor jene der einfachen Bürger gehen, haben nicht zuletzt der Dieselskandal und die inzwischen auch ganz offiziell beerdigte Energiewende gezeigt.

Wobei ein Laisser-faire beim Fluglärm genau genommen ja gar nicht nur Industrie- und Gewerbeinteressen dient, sondern jenen vieler Bürger. All derer nämlich, welche die Dienste der Airlines in Anspruch nehmen, Flugreisen sind ja ein echtes Schnäppchen - das halt nur möglich ist, weil die Vorschriften was Umwelt- und Lärmschutz angeht in der Luftfahrt besonders lax sind. Man stelle sich den Aufschrei der fliegenden Massen vor, wenn der Trip nach Malle plötzlich das Doppelte kostet, bloß damit es die da unten am Boden etwas leiser haben - brauchen ja nur selbst in Urlaub zu fliegen, dahin, wo es ruhig ist. Dieses Menschenrecht auf Rücksichtslosigkeit wird keine Bundesregierung wagen anzutasten, daher bleibt als Mittel gegen den Fluglärm eigentlich nur, sich die Freiheit zu nehmen und zu sagen: Fliegen, nein danke.

© SZ vom 01.09.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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