Kommentar:Ungewisse Zukunft

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So wünschenswert es wäre - Wachstum lässt sich nur begrenzt steuern. Das muss man jetzt in Vaterstetten feststellen

Von Wieland Bögel

Heute schon an morgen denken, das war das Ziel der Vaterstettener Zukunftswerkstatt. Man wollte ein maßvolles Bevölkerungswachstum ermöglichen, das die Infrastruktur der Gemeinde nicht überfordert. Nun zeigt sich, dass morgen schneller da ist, als gedacht: Die Gemeinde hat bereits jetzt so viele Einwohner, wie es eigentlich erst im kommenden Jahrzehnt sein sollten. Dass man bisweilen sehr großzügig mit den Vorgaben des GEP umging und vielleicht etwas zu viel Bauland ausgewiesen hat, ist eine der Ursachen. Die andere ist aber, dass sich Wachstum eben nur sehr schwierig vorhersagen oder gar planen lässt.

Dies trifft besonders auf Vaterstetten zu, wo in den vergangenen Jahren sehr viel Nachverdichtung stattgefunden hat. Aus Einfamilienhäusern mit großen Gärten wurden Reihen- und Mehrfamilienhäuser mit wenig oder gar keinem Garten. Der steigende Siedlungsdruck im Großraum München macht es attraktiv, noch das letzte Fleckchen Grünfläche mit Wohnraum vollzustellen. Dagegen vorgehen kann die Gemeinde nur sehr eingeschränkt, auch wenn Kritiker im Gemeinderat, besonders aus den Reihen der Freien Wähler und der FBU gerne das Gegenteil behaupten. Zwar setzen Baurecht und Bebauungsplan gewisse Grenzen der Nachverdichtung, letztlich sind sie aber kein Mittel gegen ein schleichendes "Immer Mehr". Dies hat sich die Gemeinde auch schon mehrmals vom Verwaltungsgericht sagen lassen müssen. Noch unberechenbarer ist das Bevölkerungswachstum ohne Neu- und Umbau: Der alleinstehende Senior zieht aus und eine junge Familie ein. Dies ist in Vaterstetten, wo in der Vergangenheit große Baugebiete entwickelt wurden, ein nicht zu unterschätzender Wachstumsfaktor: Ganze Straßenzüge stehen vor einem Generationenwechsel.

Doppelt problematisch für die Gemeinde ist, dass sie die Folgen dieses Wachstums nur mit noch mehr Wachstum stemmen kann: Um die Infrastruktur anzupassen, muss Bauland verkauft werden. An den Ursachen dieser Entwicklung, dass jährlich zwischen 20 000 und 30 000 Leute in den Großraum München zuziehen, kann die Gemeinde nichts ändern. Sie kann höchstens versuchen, auf die Folgen zu reagieren. Die nun in Auftrag gegebene Bevölkerungsprognose kann dabei helfen, aber dass es trotzdem auch morgen wieder zu unliebsamen Überraschungen kommt, lässt sich heute nicht ausschließen.

© SZ vom 18.05.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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