Kommentar:Überzogene Vorwürfe

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Den Skandal, den BfG und DGB bei der Ausstellung im Grafinger Stadtmuseum sehen, gibt es nicht. Die Schau zeichnet ein unschmeichelhaft-militaristisches Bild einer früheren Grafinger Generation

Von Thorsten Rienth

Es sind starke Vorwürfe, die das Bündnis für Grafing (BfG) erhebt: Im Museum der Stadt soll eine rechtsnational-glorifizierende Freikorps-Ausstellung zu sehen sein. Sie verfälsche, praktisch vor den zugekniffenen Augen von Bürgermeisterin Angelika Obermayr (Grüne), fahrlässig die Historie. Der Antrag, in dem das BfG dies impliziert, liest sich wie eine Anklageschrift. Doch den Skandal, den offenbar auch der DGB-Kreisverband sieht, gibt es nicht.

Es steht außer Frage, dass Kurator Schäfer bei der Ausstellung einiges ausklammert. Etwa, dass Freikorps begeistert Kommunisten hinmetzelten oder solche, die sie dafür hielten. Ebenfalls bleibt außen vor, dass Teile der Militaristen später den Kern der bayrischen SA bildeten oder in der SS Karriere machten. Genauso wenig geht Schäfer auf die Errungenschaften der vor der Münchner Räterepublik herrschenden Eisner-Regierung ein: parlamentarisch-demokratisches System, Frauenwahlrecht, Acht-Stunden-Tag, Streikrecht.

Doch mit dem Anspruch, ein vollständiges Bild der ereignisreichen Jahre zu zeichnen, ist Schäfer gar nicht angetreten. "Das Alte stürzt, es ändern sich die Zeiten - die Revolution von 1918/19 in ihren Auswirkungen Grafinger Raum", titelte er. Unter dieser lokalen Klammer zeichnet die Ausstellung ein unschmeichelhaft-militaristisches Bild einer damaligen Grafinger Generation. Weil manche der Erlebnisberichte so hasserfüllt und antisemitisch sind, sah Schäfer sich sogar zu einem Hinweis genötigt: Die Quellen würden nicht die Meinung des Kurators widergeben - sondern die Sicht ihrer Verfasser.

Auch ein Blick in das Begleitprogramm der Ausstellung lässt von der steilen BfG-These wenig übrig. Ein Auszug: Der Direktor des Bayerischen Hauptstaatsarchivs porträtiert den Sozialisten Kurt Eisner. Der Bezirks-Volksmusikpfleger reflektiert die Revolution entlang von Arbeiter- und Soldatenliedern. Eine Schriftstellerin liest über die vergessene Revolutionärin und Mitbegründerin der Münchner USPD, Sonja Lerch. Wenn das nicht differenziert ist: was dann?

Dass Schäfer auf einem Plakat vielleicht etwas vorschnell von einer "kommunistischen Rätediktatur" schreibt und nicht, was wohl treffender wäre, von einer "kommunistischen Räterepublik", das wird man dem engagierten Mann wohl verzeihen können.

© SZ vom 14.01.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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