Kommentar:Transparenz muss draußen bleiben

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Bei der Beratung über die Kommunalisierung der Stromnetze fällt der Grafinger Stadtrat in alte Verhaltensmuster zurück

Von Thorsten Rienth

In Grafing läuft gerade ein Projekt, auf das sie im Rathaus und Stadtrat mächtig stolz sind. Es heißt "Zukunftsstadt 2030" und ist eine Art Bürgerworkshop. Die Grafinger sollen direkt mitreden können bei Entwicklungsfragen ihrer Stadt. Wo soll neues Gewerbe hin? Wie soll der Marktplatz aussehen? Was benötigen ältere Menschen, um sich in Grafing wohl zu fühlen, und was junge Familien? Mitsprache, Offenheit, Transparenz sind die Stichworte, die der Politbetrieb dabei in jeden Ortsteil ruft.

Bürgermeisterin Angelika Obermayr (Grüne) und der Stadtrat sollten in Zukunft etwas leiser rufen. Denn sobald es darauf ankommt, empfinden sie die eben noch hochgehaltene Transparenz als lästiges Ärgernis und schließen die Türen ihres Sitzungssaals. Die lapidare Begründung, warum dies am Donnerstagabend bei der Entscheidung über die Beteiligung an der kreisweiten Kommunalisierung der Stromnetze einmal mehr der Fall war: Da ist unser Energieversorger Rothmoser beteiligt.

Die Aussage zeigt die verquere Sichtweise der Grafinger Volksvertreter in Sachen Offenheit und Transparenz. Gerade weil der lokale Energieversorger Rothmoser ein Akteur der ganzen Angelegenheit ist, hätten Debatte wie Abstimmung in den öffentlichen Teil gehört. Zumal Martin Rothmoser vor einigen Wochen im Energiebeirat - hier dann sogar als direkt Beteiligter - die Kommunalisierung ausschließlich negativ bewertete. Das muss freilich nichts bedeuten. Weil nun aber der Stadtrat ausgerechnet noch im Sinne von Rothmosers Worten votierte, ist ein Zusammenhang eben zumindest denkbar. Dies auszuschließen muss aber der Anspruch einer transparenten Lokalpolitik sein: In dem der allergrößte Teil der Debatte öffentlich geführt und kritische Vertragsinhalte - im dann berechtigten - nicht öffentlichen Teil beraten worden wären.

Dieser Kritik muss sich zuvorderst Angelika Obermayr als Herrin über die Stadtratstagesordnung stellen. Der Stadtrat ist jedoch nicht so unschuldig, wie er auch jetzt gerne wieder tut. Per Mehrheitsentscheidung hätte er den Tagesordnungspunkt problemlos in den öffentlichen Teil schieben können. Das war dem Gremium aber offensichtlich genauso unwichtig wie die Sitzung selbst: Zehn von 24 Stadtratsmitgliedern hatten am Donnerstagabend Wichtigeres vor und kamen erst gar nicht ins Rathaus.

© SZ vom 25.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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