Kommentar:Teilhabe, aber richtig

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Manchen Schülern kann es helfen, wenn sie nicht mit allen anderen in einen Topf geworfen werden. Und sattdessen etwas mehr Förderung erfahren, als es an einer Regelschule möglich wäre

Von Wieland Bögel

Mittendrin statt nur dabei", so warb vor vielen Jahren ein Sportsender für sein Angebot. Auch als Motto für die Inklusion würde der Slogan gut passen, schließlich ist deren Anspruch nichts weniger als: Alle sollen immer bei allem mitmachen können. Ein durchaus erstrebenswertes Anliegen, wie realistisch seine Umsetzung indes ist, hängt natürlich von mehr ab, als der guten Absicht alleine. Was sich wohl auch viele Eltern von Schulkindern mit besonderem Förderbedarf denken, und diese lieber nicht in einer Regelschule unterrichtet sehen wollen.

Dabei sollte dies längst Standard sein, zumindest wenn es nach den Verantwortlichen der Bildungspolitik geht. Statt Integration - also "dabei" - wurde vor einigen Jahren die Inklusion - eben "mittendrin" - als neues Ziel ausgegeben. Kinder, die - je nach Generation - früher in Hilfs-, Sonder- und Förderschulen geschickt wurden, sollen künftig die regulären Bildungseinrichtungen besuchen. Das klingt zunächst einmal gut, schließlich ist Teilhabe für alle ein hohes Gut. Es stellt sich aber gleichzeitig die Frage, ob diese wirklich damit zu erreichen ist, wenn alle eine Schule der gleichen Art besuchen. Denn der Schulbesuch ist ja nicht das Ende des Inklusionsprozesses, nach dem Motto, wenn jetzt alle in der gleichen Klasse sitzen, wird's schon werden, sondern steht am Anfang desselben. Die Kinder - alle Kinder - sollen auf ein möglichst selbstbestimmtes Leben vorbereitet werden. Und da kann es gerade für jene, die sich vielleicht etwas schwerer tun mit dem Erbringen der schulischen Leistungen, durchaus helfen, wenn sie eben nicht mit allen anderen in einen - oft sehr großen - Topf geworfen werden, sondern etwas mehr Förderung erfahren, als es an einer Regelschule möglich wäre.

Was ausdrücklich keine Geringschätzung der "normalen" Grundschule bedeutet, sicher sind auch dort die allermeisten Lehrkräfte engagierte Pädagogen, die ihren Schülern nur das Beste wollen. Was für die allermeisten Schüler auch gut funktioniert, manche brauchen aber eben mehr. Mehr Aufmerksamkeit, mehr Geduld, mehr Erklärungen, mehr Zeit. Wenn es in Form der Förderschulen einen Ort gibt, an dem das möglich ist, sollte man den Kindern auch diese Chance bieten, damit aus einem zu frühen "mittendrin" nicht letztlich ein lebenslanges "nur dabei" wird.

© SZ vom 04.06.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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