Kommentar:Suspekt wie Banken

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Der Altersdurchschnitt in den Parteien steigt ständig, schnell wird die Politikverdrossenheit der Jugend als Begründung bemüht. Doch damit macht man es sich viel zu einfach

Von Thorsten Rienth

Wer irgendwo im Landkreis die Veranstaltung eines politischen Ortsverbands besucht, fährt meist zum Gasthof. Dort erkundigt er sich nach dem Weg ins Nebenzimmer, wo längst ein paar Tische in U-Form zurechtgerückt sind. Auf den Stühlen sitzt der harte Kern, Servus Genossen, eine Rotweinschorle bitte, wie immer halt. Irgendwann seufzt dann der erste Mittfünfziger, warum sich von den jungen Leuten eigentlich keiner mehr für Politik interessiere? Solche Fragen sind Musterbeispiele parteipolitischer Ignoranz.

Laut aktueller Shell-Jugendstudie ist nämlich klar das Gegenteil der Fall: Im Jahr 2015 bezeichneten sich rund 41 Prozent der Jugendlichen als "politisch interessiert". Im Jahr 2002 waren es nur 30 Prozent. Das politische Engagement gilt aber nicht U-Form-Diskussionsrunden in Gasthausnebenzimmern. Sondern zuallererst dem Boykott von Waren aus politischen Gründen und dann Petitionen im Internet. Jeder Vierte hat der Studie zufolge bereits an einer Demonstration teilgenommen. Jeder Zehnte engagiert sich in einer Bürgerinitiative.

Nur wollen die unter 25-Jährigen eben nichts mehr von Parteien wissen. Sie sind ihnen sogar genauso suspekt wie Kirchen und Banken. Dafür tragen die Parteien eine gehörige Verantwortung. Weil sie eben viel zu oft zum geschlossenen System verkommen sind, bei dem die attraktiven Posten bekommt, wer am geschicktesten durch die Stammtische tourt. Oder den Chefs nach dem Mund redet und in den Regionalproporz passt. Kurz: Weil sie junge Talente gar nicht groß werden lassen.

Aber genau dieses junge Personal wäre nötig, damit es als Multiplikator in seiner Altersklasse Leute für parteipolitische Parteiarbeit begeistert. In die Parlamente werden nun einmal Parteien gewählt, nicht Bürgerinitiativen oder Sportvereine.

Allen voran die Volksparteien haben das noch nicht begriffen - und treiben so ihre Überalterung munter weiter voran: Im Dezember watschte die Bayern-SPD mit der 29-jährigen Johanna Uckermann eines ihrer hoffnungsvollsten Talente ab. Bei der Aufstellung der Landesliste verwiesen sie die Delegierten auf einen aussichtslosen Bundestagslistenplatz. Bei der vergangenen Wahl des Ebersberger CSU-Kreisvorstands fuhr die Poingerin Eva Saam, heute Anfang 30, das schwächste aller Stellvertreterergebnisse ein. Nicht, weil die junge Frau irgendwie schlecht wäre. Sondern weil die Älteren lieber ihre älteren Freunde wählten. Und Saam bei den CSU-Wortführern keine lauten Fürsprecher hatte.

© SZ vom 12.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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