Kommentar:Spät, aber nicht zu spät

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Eine Ausstellung zur Historie des Thorak-Ateliers wäre ein Gewinn für die Gemeinde und könnte zur politischen Bildung junger Menschen beitragen

Von Karin Kampwerth

Es hat ein wenig was von Dornröschenschlaf: Umgeben von dichten Hecken fristet ein Gebäude seit Jahrzehnten ein Schattendasein, obwohl es viel zur Aufarbeitung der Nazi-Vergangenheit des Landkreises beitragen könnte. Der klobige Klotz, den das herbstlich lichte Gestrüpp immer zum Jahresende preis gibt, wurde 1938 eigens für den Bildhauer Josef Thorak geschaffen, der in Baldham den Größenwahn Hitlers in monumentale Kunstwerke umsetzte. Politisch trat Thorak zwar nicht in Erscheinung. Die Tatsache aber, dass er sich von Hitler hofieren ließ, lässt die Vermutung zu, dass der gebürtige Österreicher der menschenverachtenden nationalsozialistischen Gesinnung seines Landsmannes stramm folgte.

Dass nun, bald 80 Jahre nach dem Bau des Nazikunst-Ateliers, die Idee reift, die unrühmliche Geschichte des Gebäudes für die Öffentlichkeit zugänglich zu machen, statt lediglich Artefakte der Archäologischen Staatssammlung darin zu lagern, dürfte ein Gewinn für die Gemeinde sein und zur politischen Bildung von jungen Menschen beitragen. Denn eine Ausstellung im Thorak-Haus könnte das Spannungsfeld rassistischen Gedankenguts aufzeigen, dass sich wie ein Krebsgeschwür in jeden Lebensbereich hineinfrisst. Wie krank das ist, lässt sich anhand des NS-Regimes aufzeigen, das selbst die Kunst abhängig von der Herkunft des Künstlers bewertete.

Während Thorak ganz offensichtlich dank seiner Biografie gepaart mit seinem bildhauerischen Schaffen dem kruden Kunstverständnis Hitlers entsprach, ließ dieser Werke, die der sogenannten Deutschen Kunst nicht entsprachen oder von jüdischen Künstlern geschaffen wurden, als "entartet" diffamieren.

Es ist zwar spät, aber nicht zu spät, den Vorschlag der Verantwortlichen der Staatssammlung ganz oben auf die Agenda der Gemeinde zu setzen. Denn die nun angeregte Vergangenheitsarbeit, noch dazu, wenn sie an einem solch geschichtsträchtigen Ort betrieben werden kann, darf nicht wieder hinter den dicken Mauern der unrühmlichen Geschichte des Gebäudes verschwinden.

© SZ vom 16.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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