Kommentar:Richtig gute Debatten

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Der Grafinger Bauausschuss diskutiert über die Vergabe von Bauland und einen neuen Kriterienkatalog. Mit Erfolg.

Von Thorsten Rienth

Bloß keine Ideologiedebatte! So hörte sich der allseitige Appell der Grafinger Stadträte an, wenn es um die örtliche Wohnbaupolitik ging. Genauer: um jenes Konstrukt, das früher Einheimischenbauland hieß, inzwischen aber nicht mehr so heißen darf. Die Bevorzugung Ortsansässiger laufe der europäischen Freizügigkeit zuwider, hatten die Gerichte entschieden.

Eine ideologiefreie Debatte ist bei dem Thema eigentlich kaum möglich, weil es eben eine Frage der persönlichen wie politischen Grundeinstellung ist: Eine Frage, ob man dem Recht des Grundstücksbesitzers mehr Gewicht einräumt, über sein Eigentum frei entscheiden zu können; oder, ob das Selbstverwaltungs- und Selbstbestimmungsrecht der Gemeinde höher wiegt, auszuweisende Bauflächen auch nach sozialen Kriterien zu vergeben. Streit und Zank schienen also programmiert im Grafinger Stadtrat, wo die großen Reden von übergreifender Zusammenarbeit inzwischen spürbar der Parteipolitik wichen.

Die Wohnbaupolitik ist da offensichtlich eine Ausnahme. Im September hatte der Grafinger Bauausschuss beschlossen, welche Spielregeln künftig gelten, wenn jemand mit dem Verkauf von Bauland gutes Geld verdienen will. Endlich mal wieder eine Debatte, die den Namen verdiente: Wer argumentierte, untermauerte seine Thesen mit überprüfbaren Fakten. Während der eine vorrechnete, rechneten die anderen nach. Und wenn kritische Nachfragen kamen, dann fasste das niemand als Angriff auf, sondern als das, was sie waren - Debattenbeiträge. Mit dem Kriterienkatalog folgte nun der zweite Teil der großen Bauland-Diskussion. Wieder kam eine richtig gute Debatte zustande, weil Stadträte mit dem Hang zum Populismus verbal abrüsteten und die Parteisoldaten ihren interpretatorischen Alleinvertretungsanspruch zurückschraubten.

Klappt das nicht nur im kleinen Bauausschuss, sondern auch im großen Stadtrat, haben Stadträte und Bürgermeisterin den ersten großen Erfolg ihrer aktuellen Legislaturperiode eingefahren. Denn so, wie die Beschlussvorschläge jetzt aussehen, braucht kein Grundstückseigentümer um den Profit fürchten. Aber dennoch haben auch außertariflich Beschäftigte ohne Erbschaft und mit ein paar Kindern eine halbwegs realistische Chance, in Grafing bauen zu können.

© SZ vom 23.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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