Kommentar:Qualität in Gefahr

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Die Pläne der Staatsregierung zur Ganztagesbetreuung sind ein Anfang - mehr aber auch nicht

Von Carolin Fries

Die Richtung stimmt. Dass nach dem Ausbau der Krippen und Kitas nun auch die Nachmittagsbetreuung an den Grundschulen folgen muss, ist nur konsequent. Das Ziel ist hochgesteckt: Bereits in drei Jahren soll für jedes Kind ein kostenloser Betreuungsplatz bis 16 Uhr zur Verfügung stehen, bei Bedarf und gegen Bezahlung sogar bis 18 Uhr. Und dennoch brechen Eltern nicht in Jubelschreie aus. Denn jede Mutter und jeder Vater, die ihre Kinder morgens in die Einrichtung bringen, stellen diese nicht einfach vor irgendeine Tür - und werden das auch in Zukunft nicht tun. Auch wenn das Angebot die Familien künftig weniger oder gar nichts kosten wird, muss es den Qualitätsstandards entsprechen, für die sie aktuell zahlen. Gerne zahlen, weil sie wissen, dass Qualität ihren Preis hat.

Die Frage, die sich die Eltern also angesichts der frohen Botschaft stellen, lautet: Wer soll das bezahlen? Beziehungsweise: Was steckt in so einer kostenlosen Ganztagsbetreuung drin? Bereits heute haben Kitas Probleme, qualifiziertes Personal, Erzieherinnen und Kinderpflegerinnen zu akquirieren. Ergänzungskräfte und Tagespfleger können das Angebot nur ergänzen - getragen werden muss es von einem stabilen und vor allem qualifizierten Team. Denn umso länger die Kinder eine Einrichtung besuchen, umso weniger geht es nur darum, dass sie nach der Schule etwas Warmes in den Bauch bekommen und die Hausaufgaben erledigen. Dann findet Erziehung statt, werden Werte vermittelt, Kompetenzen geschult. Es mag beruhigend klingen, wenn das Schulamt ankündigt, die Angebote unter die Lupe zu nehmen. Doch es werden allein die Träger sein, die es stemmen müssen - finanziell und personell.

Im Landkreis wird die Offensive der Staatsregierung besonders die Arbeiterwohlfahrt betreffen. Sie hat vor mehr als 30 Jahren den ersten Hort eröffnet und ist inzwischen weit verbreitet in der Nachmittagsbetreuung. Allerdings war die Richtung in den vergangenen Jahren eine ganz andere: hin zu gebundenen Angeboten an Grundschulen mit rhythmisiertem Unterricht, wie beispielsweise in Vaterstetten. Und nun? Nun macht der Staat mal ein bisschen Druck, ein bisschen schneller bitte, ein bisschen mehr. Das mag hier und da eingerostete Hebel in Bewegung setzen. Es kann aber auch dazu führen, dass Verwahranstalten aus dem Boden gestampft werden, die keinem weiterhelfen. Denn auch wenn die Richtung stimmt - das Ziel muss ebenfalls stimmen.

© SZ vom 09.04.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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