Kommentar:Panik schadet

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Nach den abscheulichen Übergriffen in Köln wird es schwerer, richtig zu fühlen, zu denken und zu handeln. Gut, dass es Statistiken gibt, die einem ein wenig den Weg weisen

Von Alexandra Leuthner

Immer wieder diese Bilder von der Kölner Silvesternacht. Man mag sie nicht mehr sehen, man mag gar nichts mehr davon hören. Das richtige Fühlen ist so schwer geworden seither. Schwer für alle, die bisher gedacht haben, mit gutem Willen und gutem Herzen ließe sich dem Elend der Flüchtlinge, aber auch den Unterschieden zwischen den Kulturen, den logistischen und praktischen Herausforderungen schon Herr werden. Wenn man nun mit den Menschen spricht, auch hier im Landkreis und weit weg von Köln, hört man Zweifel heraus, die früher nicht da waren, Ängste, die größer geworden sind, und die bis zur Silvesternacht hinter einem Wall aus eben jenem guten Willen verräumt waren.

Schwer geworden ist auch das richtige Denken. Was sollen wir nur halten von diesem Mob aus Männern, der sich kalt lächelnd über Recht und Gesetz, und, viel schlimmer noch, über alle Vorstellungen von Moral und Anständigkeit hinweg setzt, von denen wir denken wollten, sie müssten im 21. Jahrhundert selbstverständlich sein. Falsch gedacht?

Noch viel schwerer geworden ist es, nun das Richtige zu sagen, richtig zu bewerten, die Wahrheit zu erkennen und sie dann so auszusprechen, dass sie wahr bleibt und nicht von denen verfälscht wird, die es immer schon gewusst haben wollen. Denn leichter geworden ist die Situation nur für jenen anderen Mob, die vermeintlichen Verteidiger des christlichen Abendlands, bei denen die christliche Botschaft von Toleranz und Nächstenliebe auch nach fast 21 Jahrhunderten noch nicht angekommen ist.

Was aber tun wir nun mit den Kölner Bildern im Kopf? Und mit der legitimen Angst? Polizeidienststellenleiter Hendrik Polte rät, sich auch im Umgang mit den Flüchtlingen auf die allgemeine Lebenserfahrung zu verlassen. Das heißt vielleicht, ein wenig Angst an der richtigen Stelle schadet nicht. Und vielleicht schadet es auch nicht, unsere Gewohnheiten aus Jahrzehnten des Wohlergehens an der einen oder anderen Stelle ein wenig zu ändern, ein bisschen weniger unbekümmert zu werden. Panik aber schadet bestimmt, unserem Wohlergehen und unserem Umgang mit den Flüchtlingen ebenso. Dagegen kann die Polizei im Landkreis ihre Statistik setzen, die besagt, dass bisher nichts passiert ist. Gar nichts. Das ist die gute Nachricht. Und die hilft vielleicht, wieder ein bisschen richtiger zu fühlen.

© SZ vom 16.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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