Kommentar:Mut zur Ermutigung

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Homo- und Transsexualität ist im konservativ-ländlichen Raum nach wie vor ein Tabuthema. Daher sollte die Initiative der 9a aus Aßling unbedingt Schule machen

Von Jonas Wengert

Die orange Perücke in einem Meer aus blauen und schwarzen Anzügen - wie loderndes Feuer in der Nacht: Februar 2017, im Plenarsaal des Reichstagsgebäudes wählen 1260 Mitglieder der Bundesversammlung Frank-Walter Steinmeier zum Bundespräsidenten. Unter ihnen eine Person mit auftoupiertem Kunsthaar, Drag Queen Olivia Jones. Ein Mann in Minikleid und High Heels als Repräsentant bei der Wahl des Staatsoberhaupts. Diese Bilder gingen um die Welt.

An der Mittelschule Aßling haben sich Schüler mit den Lebensgeschichten von Jugendlichen beschäftigt, die sich im falschen Körper geboren fühlen. Dafür wurden sie nun mit einem Preis ausgezeichnet. Und das ist gut so. Denn es erfordert Mut, sich im konservativ-ländlichen Raum mit Homo- und Transsexualität zu beschäftigen. Auch wenn der Begriff "schwul" auf dem Pausenhof nicht immer gleich beleidigend gemeint sein muss: Die direkte Ansprache dieser sensiblen Themen im Unterricht ist extrem wichtig, um ein Bewusstsein junger Menschen dafür zu schaffen, welche Folgen unbedachte Aussagen haben können. In Sachen Gleichstellung von sexuellen Minderheiten ist hierzulande zweifelsohne viel passiert, nicht zuletzt mit dem Beschluss zur bundesweiten "Ehe für alle" vor etwas mehr als einem Jahr. Ähnlich sieht es in anderen Ländern aus. Diese Entwicklung hat Folgen, die man nur gut finden kann. Ein Studie über 32 Staaten der USA besagt beispielsweise, dass die Zahl der Suizidversuche bei homo- und bisexuellen Jugendlichen seit Einführung der Homo-Ehe um 14 Prozent zurückgegangen ist.

Nicht nur darum ist zu hoffen, dass das Projekt der Abschlussklasse aus Aßling im wahrsten Sinne des Wortes Schule macht. Dass es dazu kam, ist einer engagierten Klassenleiterin zu verdanken, die der Meinung war, dass sich tragische Schicksale wie das von Michael Schmidpeter, dem Namensgeber des Preises, nicht wiederholen dürfen. Diesem Einsatz gilt Anerkennung. Und dennoch ist bedauerlich, dass diese Art Akzeptanz nicht von vornherein in bayerischen Lehrplänen verankert ist. Es ist nicht das Ziel, dass irgendwann 1 260 Drag Queens den Bundespräsidenten wählen. Es geht schlicht darum, dass kein Aufschrei mehr durch die Öffentlichkeit geht, wenn es eine tut.

© SZ vom 07.11.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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