Kommentar:Man kennt sich, man hilft sich

Ausgerechnet der Kulturausschuss wiegt ein paar Parkplätze schwerer als den Weihnachtsmarkt

Von Thorsten Rienth

An Dramen mangelt es im Grafinger Stadtrat wahrlich nicht: Vor ein paar Jahren weist er mit der Wolfschlucht ein überteuertes Einheimischenbauland aus. Die Grafinger verspotten es als "Millionärssiedlung". Seit Dezember 2008 rottet das alte Schulhaus in der Rotter Straße 8 vor sich hin - Mumm für eine Entscheidung hat der Stadtrat keinen. Jetzt fahren die Grafinger Volksvertreter auch noch den Weihnachtsmarkt gegen die Wand. Ausgerechnet der Kulturausschuss wiegt ein paar Parkplätze schwerer als den Weihnachtsmarkt.

Die acht Einzelhändler mögen in der Minderheit sein, aber sie sind laut. Und sie sind mächtig: Metzgermeister Franz Saißreiner, bei dem die Fäden der Gruppe zusammenlaufen, sitzt für die CSU im Stadtrat. Formal gilt er zwar als unbefangen. Doch man kennt sich, man hilft sich. Respekt gebührt dem CSU-Stadtrat Schorsch Schlechte. Er brachte Anstand mit und votierte gegen das abgekartete Spiel seiner Fraktion.

Bitter, dass Argumente, ja gar Mathematik, am Dienstag nicht zählten. Im Herbst löste die Stadt für teures Geld 54 Parkplätze unter dem alten Brauereigelände ab - drei Stunden kostenloses Parken. Bis auf die Marktplatzinsel sind es von dort 150 Meter. Wurscht, sagt der Kulturausschuss. Geschenkt ist auch, dass der Stadtrat erst vergangene Woche die Höchstparkdauer am Marktplatz auf 30 Minuten halbierte. Rechnerisch verdoppelt dies die Parkvorgänge pro Stunde auf 48. Selbst wenn durch den Weihnachtsmarkt neun Parkplätze (also 18 Bewegungen je Stunde) wegfielen, bliebe mit 30 Bewegungen je Stunde mehr Parkpotenzial übrig, als es in der Vergangenheit selbst ohne Weihnachtsmarkt gab. Mit fehlenden Parkplätzen braucht also wirklich niemand anzukommen.

© SZ vom 19.04.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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