Kommentar:Magere Maßnahmen

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In der Pöringer Unterkunft fehlt eine verlässliche Betreuung der Bewohner

Von Viktoria Spinrad

Härtere Maßnahmen wollte das Landratsamt nach den Beschwerden von Anwohnern der Pöringer Asylunterkunft ergreifen. Das sollen jetzt Kameras sein und sporadische Besuche von Sicherheitsleuten, die 39 weiter Unterkünfte im Landkreis betreuen. Dass sich Helferkreis und Rathaus jetzt enttäuscht zeigen, ist verständlich. Denn eigentlich hätte es das Landratsamt doch besser wissen müssen.

Das positive Gegenbeispiel findet sich nicht weit entfernt, in der baugleichen Unterkunft am Zornedinger Bahnhof. Dort zeigt sich, wie das Zusammenleben von Bewohnern aus verschiedenen Nationen gut laufen kann: Sicherheitsleute etablieren Gewohnheiten und Regeln, sind als Ansprechpartner für die Bewohner da. Diese dürfen und sollen kleine Arbeiten verrichten, Routine stellt sich ein. Irgendwann kann der Sicherheitsdienst abziehen, die Bewohner wählen Sprecher, die fortan Verantwortung übernehmen. Auch im Ort sind sie gut gelitten, man grüßt sich - so kann gelungene Integration aussehen.

Jetzt nehme man die selbe Unterkunft mit etwa einem Drittel der Helfer, keinem durchgängig anwesenden Ansprechpartner, ohne Beschäftigungsmöglichkeiten, und man erhält einen orientierungslosen, sich selbst überlassenen Haufen junger Männer. Ohne Beschäftigung, ohne Aufgabe, in vielen Fällen ohne Aussicht auf eine langfristige Bleibe in Deutschland. Die daraus folgenden Delikte sind ernstzunehmen, aber viele von ihnen gleichen auch Erstsemestern in der Einführungswoche: Partys, Alkohol, laute Gespräche, das Abmontieren von Rauchmeldern.

Das Landratsamt, als Hausherr der Einrichtung, hätte jetzt die Chance gehabt, das zu wiederholen, was schon in Zorneding funktioniert hat: Den jungen Männern wieder Ansprechpartner an die Hand zu geben, die ihnen zeigen, wo es lang geht. Aber das war scheinbar nicht im Budget vorgesehen - wieso eigentlich nicht? Vielleicht, weil man notfalls auf die lieben Freiwilligen vom Helferkreis setzte? Statt mehr Personal sollen also jetzt Videokameras die Bewohner vor weiteren Delikten abschrecken. Ob das eine ernst gemeinte oder eine eher symbolische Maßnahme gegen die gelangweilten Vergehen der Bewohner sein soll, das weiß nur das Landratsamt. Dass es das eigentliche Problem, nämlich die Beschäftigungslosigkeit der Bewohner höchstens auf Video aufnehmen kann, dürfte der Behörde dann in den nächsten Wochen vorgeführt werden.

© SZ vom 25.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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