Kommentar:Lücke im Gesetz

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Es gibt keine Vorschrift, die alte Menschen im Pflegeheim vor übermäßigem Baulärm schützt. Das ist nicht akzeptabel

Von Viktoria Spinrad

Wenn zwei verantwortlich sind, ist keiner verantwortlich. Das besagt ein portugiesisches Sprichwort. Was aber, wenn gleich mehrere Akteure höchstens moralisch verpflichtet wären, zu agieren - und die rechtliche Verantwortlichkeit offen bleibt? Das Ergebnis einer solchen Gemengelage lässt sich am Vaterstettener Seniorenwohnpark veranschaulichen. Der Investor lässt das Heim über den Köpfen der Bewohner mit Schlagbohrern und Presslufthammern aufstocken. Die Gemeinde sieht zu; das Landratsamt geht nach Beschwerden zwar hin, kann aber effektiv nur agieren, wenn "Gefahr für Leib und Leben" besteht. Wo ist da die Linie?

Diese ist nur eine von vielen Fragen, die die Causa Seniorenwohnpark aufwirft - und die keine der Beteiligten in besonders schmeichelhaftes Licht rückt. Warum wartet der Investor nicht die Fertigstellung des Neubaus als Ausweichquartier ab? Warum schaut das Landratsamt nach einem Hinweis auf Bauarbeiten außerhalb der erlaubten Zeiten nicht noch einmal unangemeldet vorbei? Wieso gehen Angehörige erst an die Öffentlichkeit, als die Bauarbeiten schon fast abgeschlossen sind?

Bei allen offenen Fragen sendet Investor Oskar Conle nun das richtige Signal. Er disponiert um, verspricht, die Belastung für Anwohner und Mitarbeiter zu minimieren. Auch, wenn dies vor allem als Friedensangebot an die Beschwerdeführer zu werten ist, deren Mutter nun ein Jahr früher umgezogen wird: Tatsache ist, dass Geschäftsführer wie Conle in Vaterstetten in einer Zwickmühle stecken. Schließlich muss investiert, saniert, modernisiert werden - auch, um rechtliche Vorgaben einzuhalten. Das im laufenden Betrieb zu tun, ist durchaus üblich, Bewohner zum Schutz vor Lärm auszuquartieren eher die Ausnahme.

Dass dies nicht passiert ist, sehen Angehörige als Skandal. Das Übel kann man aber auch an anderer Stelle verorten: nämlich im Maximilianeum. Wie kann es sein, dass es im bayerischen Pflegegesetz keine verbindlichen Lärmrichtlinien gibt? Um hier eine entsprechende Verantwortlichkeit zu schaffen, gäbe es gleich eine erste Hausaufgabe für die neue schwarz-orange Regierung. Damit Landratsämter nicht mit schwammigen Konstrukten wie "Gefahr für Leib und Leben" hantieren müssen - und höchst willkommene Pflege-Investitionen wie die von Oskar Conle nicht mehr von einem Aufschrei überlagert werden.

© SZ vom 03.11.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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