Kommentar:Lernen von den Profis

Lesezeit: 1 min

Dass sich die Jugend so häufig betrinkt, ist eine ungute Entwicklung. Doch statt immer mehr Verbote zu fordern, sollten die Erwachsenen vielleicht einfach mit gutem Beispiel vorangehen.

Von Wieland Bögel

Als Mensch, besonders als junger, hat man viel zu lernen. Neben der Hell- und Dunkelreaktion der Fotosynthese, dem richtigen Gebrauch des ACI, oder was der Autor wohl damit meinte, als er dies oder jenes schrieb, ist das auch: das Trinken von Alkohol. Leider ist das Lernziel hier oft: Einer geht noch. An bereitwilligen Lehrern und an Kursangeboten im Fach Promillesammeln mangelt es nicht. Egal ob sich der schneidige Mr. Bond schon wieder einen Martini - geschüttelt nicht gerührt - genehmigt, ob kultivierte Menschen ihre Kultiviertheit durch das kultivierte Genießen edler Millionärsbrause kundtun, oder ob die Blaskapelle in regelmäßigen - und auf Wunsch des Festwirtes möglichst kurzen - Abständen ein Prosit der Gemütlichkeit anstimmt. Die Botschaft an den jungen Menschen lautet stets: Egal wo und wer Du bist, trink doch noch was.

Wenn die jungen Leute aber dieser Botschaft etwas zu bereitwillig folgen, ist das Geschrei groß. Minderjährige, die sich vor dem Supermarkt mit Schnaps abfüllen, 15-Jährige im Vollrausch auf dem Volksfest, Burschen im Unterstufenalter, die alkoholbedingt ihren Mageninhalt in aller Öffentlichkeit entleeren? Das muss doch Konsequenzen haben. Forderungen sind da auch schnell formuliert: Von Verboten für unter 18-Jährige auf Festen mit geistigen Getränken über generelle Ausgangssperren für Minderjährige bis zu scharfen - besser noch schärferen - Kontrollen überall, wo Alkohol konsumiert und verkauft wird.

All diesen Maßnahmen ist eines gemein: ihre völlige Nutzlosigkeit. Die Beschaffung von Alkohol zu unterbinden ist, selbst wenn es machbar wäre, absoluter Unfug. Das einzige Resultat wäre, den ersten Vollrausch und seine Nachfolger ein paar Jahre nach hinten zu verschieben.

Natürlich; man muss nicht und sollte auch nicht Alkohol in großen Mengen an Jugendliche ausschenken. Dafür Sorge zu tragen ist Aufgabe des Gesetzgebers, der Ordnungs- und Jugendämter. Dafür aber Sorge zu tragen, dass sich die Jugendlichen nicht aus eigenem Antrieb Alkohol in großen Mengen beschaffen, wäre eine Aufgabe für alle. Wer Jugendliche vom Saufen abhalten will, sollte mit gutem Beispiel vorangehen. Gefragt ist darum nicht der erhobene Zeigefinger, aber vielleicht das eigene etwas seltener erhobene Glas.

© SZ vom 19.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: