Kommentar:Kompromiss des Möglichen

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Der Grafinger Grundsatzbeschluss zur Wohnungsbaupolitik ist kein Grund zum Jubeln. Aber mehr ist wohl nicht drin.

Von Thorsten Rienth

Wenn es sich nicht irgendjemand aus dem Bauland-Bündnis Freie Wähler, Grüne und SPD plötzlich anders überlegt, bekommt Grafing in einer der nächsten Stadtratssitzungen einen neuen Grundsatzbeschluss zur Wohnbaupolitik. Die schlechte Nachricht dahinter wäre, dass es dann absolut betrachtet weniger Bauland für finanziell Schwächere gibt. Die gute Nachricht wäre: Was übrig bleibt, ist künftig günstiger.

Dem Grafinger Altenpflegerin-Erzieher-Pärchen mit zwei oder drei Kindern hilft das leider wenig. Selbst wenn sie den Zuschlag bekommen sollten, sie könnten sich auch das verbilligte Eigenheim kaum leisten. Denn die Bodenrichtpreise steigen im Münchner Speckgürtel einfach zu schnell. Einzig bliebe dem Stadtrat der Hebel, eine noch stärkere Preisreduzierung vorzuschreiben. Dann allerdings sinkt der Anreiz für Grundstückeigentümer, überhaupt Flächen als Bauland zur Verfügung zu stellen. Die Zeit - Stichwort schnell steigender Bodenrichtwert - spielt schließlich für sie.

Unterm Strich ist der Grundsatzbeschluss also kein Grund zum Jubeln. Aber ein passabler Kompromiss dessen, was in Grafing sowohl auf dem Grundstücksmarkt als auch politisch möglich ist. Mit dem Beschluss vom Dienstag können jedenfalls alle im Stadtrat sehr gut leben. Auch die, die in der Minderheit waren. Grüne und SPD können reklamieren, dass die Grundzüge ihrer Kritik an dem vorigen Modell im Wesentlichen beseitigt sind. Die Freien Wähler untermauern mit ihrer Zustimmung einmal mehr ihren ersten Namensbestandteil. Die CSU präsentierte sich als konservativer Hüter der alten Ordnung, ohne gleich die nötige Neuausrichtung der Wohnbaupolitik zu torpedieren. Das Bündnis für Grafing (BfG) durfte darauf verweisen, dass den wirklich Bedürftigen nicht sonderlich geholfen ist. Und Bürgermeisterin Angelika Obermayr (Grüne) konnte zeigen, dass sie auch bei heiklen Themen in der Lage ist, Mehrheiten herzustellen.

Inhaltlich überbewerten sollten die Grafinger den Beschluss aber nicht. Wie sozial es der Stadtrat tatsächlich meint, zeigt sich erst mit dem noch zu beschließenden Kriterienkatalog. Es ist also noch Luft nach oben.

© SZ vom 24.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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