Kommentar:Kommunale Versuchskaninchen

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Poings Gemeinderat verzichtet auf die neue Möglichkeit, Sitzungen digital abzuhalten - aus gutem Grund

Von Wieland Bögel

Der Testkandidat ist ein aus ernsten wie komischen Geschichten und Filmen hinlänglich bekannter Charakter, dessen hervorstechendste Eigenschaft darin besteht, dass das Publikum sagen kann: Das möchte ich nicht machen! Ein bisschen so ging es nun auch den Poinger Gemeinderatsmitgliedern. Die haben beschlossen, ihre Sitzungen auch künftig in Präsenz abzuhalten, obwohl ihnen die Bayerische Gemeindeordnung inzwischen die Möglichkeit einräumt, Online-Sitzungen abzuhalten. Was indes mit einem nicht ganz unerheblichen Risiko verbunden ist.

Denn was die Novellierung der Gemeindeordnung nicht enthält, ist eine rechtsverbindliche Garantie, dass das, was auf der digitalen Sitzung passiert, auch gültig ist. So ist nicht auszuschließen, dass sich Beschlüsse erfolgreich anfechten lassen, wenn es etwa zu Störungen in der Verbindung kommt und jemand erklärt, nicht verstanden zu haben, um was es geht oder jemand wegen technischer Probleme nicht mitstimmen konnte.

Wobei dies noch die kleineren Probleme wären, die lediglich eine vielleicht lästige aber ansonsten harmlose Wiederholung nach sich zögen. Außer, es werden dadurch Fristen versäumt, etwa bei Förderanträgen, was für die Gemeinde unter Umständen sehr teuer werden kann. Noch ernster wird es, wenn etwa bei kritischen Verhandlungen oder Ausschreibungen die Verschwiegenheit nicht garantiert werden kann. Sei es aufgrund der Unzulänglichkeit der Technik oder schlicht, weil nie sicher ist, wer sich neben dem streamenden Gemeinderatsmitglied noch im Raum befindet. Dann geht es nicht mehr nur um Geld, dann kommt man in den Bereich des Strafrechts.

Dies und die im digitalen Bereich stets präsente Gefahr der Beweislastumkehr - also im Zweifel gegen den Angeklagten - sind kein schlechter Grund, sich in diesem Fall nicht zum Testkandidaten zu machen.

© SZ vom 26.05.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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