Kommentar:Kaufen, nicht nur gucken

Lesezeit: 1 min

Die Leute lassen sich vor Weihnachten zunehmend vom Onlinehandel hinreissen. Dabei hat er viele Nachteile gegenüber dem klassischen Einkaufen beim Laden im Ort

Von Clara Lipkowski

Im Grunde reift der Plan, dieses Jahr zu Weihnachten ganz besonders originelle und liebevoll ausgewählte Geschenke zu kaufen, wie ein guter Wein. Das heißt, er reift vor allem lange. So lange, bis einem klar wird, dass Weihnachten völlig überraschend schon nächste Woche stattfinden soll. So in zwei Wochen hätt' ich Zeit, denkt sich mancher. Und steckt die Bemerkungen des Kollegen, er habe bis auf eines schon längst alle Geschenke zusammen, gedanklich unter "Der-hat-wohl-nichts-Anderes-zu-tun" in die "Streber"-Schublade.

Sobald Weihnachten aber bedrohlich nahe gerückt ist, zückt der Mensch das Smartphone oder setzt sich an den Computer und los geht die Bestellerei. Wer dann nicht zu Hause ist, wenn die Pakete geliefert werden, eilt nach Feierabend zur Post, erschrickt fast zu Tode ob der meterlangen Schlange, reiht sich aber gezwungenermaßen murrend ein. Nach einer Stunde Warten und unnötigen Post-it-Käufen schleppt er das Paket frustriert nach Hause. Für einen mit wenig Zeit ist das ärgerlich. Besonders dumm ist es, wenn größere Lieferungen in mehreren Paketen ankommen und man entweder drei Anläufe braucht, um es beim Nachbar abholen zu können oder noch mal den Weg zur Post in Kauf nehmen muss - Retouren noch nicht eingerechnet.

Dumm ist das auch, weil das Bestellte quasi vor der Haustür stressfreier zu haben wäre: Bücher zum Beispiel sind das Geschenk Nummer eins. Hat der Händler mal eines nicht parat, ist es meist über Nacht in den Laden geliefert und ein therapeutisch-beruhigendes Pläuschchen, bekommt der gestresste Weihnachtsshopper im Laden dazu. So ein Face-to-face-Kauf, wie es im Marketing heißt, hat noch mehr Vorteile. Er stärkt inhabergeführte Läden, die wiederum das Erscheinungsbild des Orts ausmachen. Er spart eine beträchtliche Menge Verpackungsmüll. Noch dazu würden weniger Luft verschmutzende Lastwagen losgeschickt, kauften mehr Menschen "analog".

Weil aber gerade in der Adventszeit der Onlinehandel boomt, denken Einzelhändler wie die Inhaberin der Ebersberger "Drachenstube" darüber nach, ob ihr Geschäft mit großen Schaufenstern noch zeitgemäß ist. Vielleicht gucken die Leute - kaufen tun sie woanders.

Letztlich liegt es an den Kunden. Sie sind es, die entscheiden müssen zwischen vermeintlicher Bequemlichkeit und der Zukunft ihrer Innenstadt.

© SZ vom 18.12.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: