Kommentar:Immer der Reihe nach

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Manchmal ist Kleckern besser als Klotzen, etwa beim Ausbau der Nahwärme in Vaterstetten

Von Wieland Bögel

Man stelle sich vor, eine Kommune bestellt für ihren Nahverkehr mehrere millionenteure hochmoderne Straßenbahnen - obwohl es im ganzen Ort keinen einzigen Meter Schiene gibt. Zugegeben ein unrealistisches Szenario, dies würde keine Stadt oder Gemeinde tun. In Vaterstetten indes geschah vor einigen Jahren etwas ganz ähnliches: Die Gemeinde war bereit Millionen in ein Geothermieprojekt zu investieren, obwohl es im ganzen Ort weder ein nennenswertes Nahwärmenetz noch eine echte Strategie zu dessen Aufbau gab. Im Rückblick war das Scheitern des Investors 2014 und das darauf folgende Ende der Geothermieplanung ein Glücksfall für Vaterstetten und zwar in doppelter Hinsicht. Zum einen ist der Gemeinde ein Millionengrab erspart geblieben und zum anderen gab das gescheiterte Großprojekt den Anstoß für den Aufbau einer nachhaltigen Nahwärmeversorgung.

Deren Grundzüge und Perspektiven wurden nun vorgestellt. Zwar nur die Grobplanung, aber diese ist bereits jetzt durchdachter und vermutlich auch realistischer umsetzbar, als es das Geothermieprojekt je gewesen ist. Diesmal werden, um im Bild zu bleiben, zuerst die Schienen gebaut, und dann nach und nach die Züge bestellt. So sollen die bestehenden, meist nur einige Häuserblocks umfassenden Netze miteinander verbunden werden, außerdem neue Wohngebiete oder auch der Schulneubau gleich von Anfang ans Netz angeschlossen werden. Dessen Versorgung soll mitwachsen, zunächst über das bereits bestehende Heizkraftwerk für die Schule, später kommen nach Bedarf weitere Kraftwerke dazu. Diese ermöglichen zudem einen Energiemix, so sind solarthermische Anlagen ebenso integrierbar, wie Hackschnitzel- und Pelletkessel oder Wärmetauscher, gewissermaßen die Miniversion des gescheiterten Geothermie-Großkraftwerks. Langfristig könnte auch das erste Kraftwerk von Erd- auf Biogas umgestellt werden, dann wäre das Netz komplett mit regenerativer Energie versorgt.

Und auch die Geothermie könnte - noch langfristiger zwar - wieder eine Chance bekommen: Wenn der Auf- und Ausbau des Nahwärmenetzes gut vorankommt und es in einigen Jahren, oder auch Jahrzehnten, auf eine ausreichende Größe angewachsen ist, könnte durchaus ein größeres Kraftwerk benötigt werden, vielleicht auch eines, das warmes Wasser aus der Erde nutzt.

© SZ vom 06.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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