Kommentar:Ideologische Scheuklappen

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Bei der Kommunalisierung der Stromnetze ist für ideologische Überzeugungen kein Platz. Sonst kommt es zu Entscheidung wie in Baiern, die das Projekt schon torpedieren, bevor dessen Inhalte überhaupt klar sind

Von Anselm Schindler

Die Summe von 200 000 Euro müssen die Kommunen des Landkreises insgesamt in die Hand nehmen, wollen sie einen Wirtschaftsplan für die Kommunalisierung des Stromnetzes mit 900 Trafokästen und 2500 Kilometern Leitungen aufstellen. Auf die Gemeinde Baiern entfallen davon 4300 Euro, eine überschaubare Summe. Es verwundert deshalb, dass sich die Bairer Gemeinderäte in ihrer jüngsten Sitzung gegen den Wirtschaftsplan entschieden haben. Verwunderlich ist der Beschluss auch deshalb, weil eine Zustimmung zur Planung ja noch kein endgültiges Ja zur Kommunalisierung bedeutet. Zurück könnten die Bairer also immer noch.

Das Zögern des Gemeinderates begründen seine Mitglieder damit, dass bislang noch zu viele Unklarheiten bestünden, vor allem, was die Kosten der Kommunalisierung betrifft. Dabei soll der Wirtschaftsplan nicht zuletzt dazu dienen, in dieser Frage Klarheit zu schaffen. Man kann nicht einerseits mehr Informationen verlangen, und ihrer Beschaffung andererseits im Wege stehen. Außer man will bremsen, und genau darum scheint es einigen im Bairer Gemeinderat zu gehen. Was wohl nicht zuletzt daran liegt, dass die Konflikte auch entlang einer ideologischen Linie verlaufen: Will man mehr oder weniger Staat?

Bislang gehören die Konzessionen für die Ebersberger Netze den Bayernwerken, mit einer Kommunalisierung würden sie in die öffentliche Hand geraten. Da verwundert es kaum, dass gerade Alexander Müller, der für die FDP nicht nur im Bairer Gemeinderat, sondern auch im Kreistag sitzt, Front gegen die Kommunalisierung macht. Mit für einen Freidemokraten erwartbaren Argumenten: "Der Staat ist nicht der bessere Unternehmer, das Gegenteil ist überwiegend der Fall." Das ist populistisch und in vielen Fällen falsch. Gerade in der öffentlichen Daseinsvorsorge hat sich oft genug gezeigt, dass der freie Markt nicht in der Lage war, Versorgungssicherheit zu gewährleisten.

Das Landratsamt hat sein Soll bereits erfüllt, eine Machbarkeitsstudie vorgenommen, seine Mitarbeiter haben in Gemeinderatssitzungen Rede und Antwort gestanden. Jetzt sind die Gemeinden dran. Es ist gut, wenn Bairer Gemeinderäte nicht alles abnicken, doch die ideologischen Scheuklappen sollten sie ablegen.

© SZ vom 19.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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