Kommentar:Handlungsarme Initiative

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Selbst wenn sich die Kommunen auf einen gemeinsamen Weg einigen, gegen das Verkehrschaos im Umland vorzugehen: Für den Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs bräuchten sie den Bund und den Freistaat

Von Wieland Bögel

Es muss etwas geschehen - es wird etwas geschehen." Mit dieser Formel begrüßen sich in Heinrich Bölls "Eine handlungsstarke Geschichte" die Mitarbeiter einer Fabrik - und sie tun eigentlich den ganzen Tag nichts anderes. Ob man bei der interkommunalen Verkehrsplanung in und um München ebenfalls diesen Gruß benutzt, ist nicht bekannt, wäre aber passend. Denn dass "etwas" geschehen muss und auch wird, würden die Spatzen von den Dächern pfeifen - könnte man sie im Gebrumm der im Dauerstau stehenden Autos noch hören. An diesem Zustand wird wohl auch die nun in Vaterstetten mitbeschlossene Bestandsanalyse nichts ändern.

Denn ein Grund, warum dieses "Etwas" einfach nicht geschehen will, ist, dass es ziemlich unkonkret ist. Klar, irgendwas mit mehr Bus und Bahn wäre schön und ein paar zusätzliche Radwege wären nicht schlecht. Auch eine bessere Koordinierung von Erschließungsstraßen für neue Baugebiete wird immer wieder genannt. Doch bereits diesen unkonkreten Zielen stehen zwei große Hindernisse im Weg. Zum einen die Planungshoheit, auf die keine Kommune freiwillig verzichten wird. Ob man also künftig das neue Gewerbegebiet über den eignen Ortskern hinaus erschließt oder den Verkehr auf schnellstem Wege zu den Nachbarn ableitet, ist jeder Gemeinde selbst überlassen - mit erwartbarem Ergebnis. Dann, so die logische Forderung, muss der öffentliche Nahverkehr stärker ausgebaut werden, was zum zweiten Hindernis führt: Dafür sind die Kommunen nicht zuständig, und die Zuständigen - Bahn, Land und Bund - machen derzeit nicht den Anschein, als ob sie an den Zuständen irgendetwas ändern wollten.

Zwar wird ein zweiter S-Bahn-Tunnel für München gegraben, doch der kommt Jahrzehnte zu spät und ändert nichts am Grundproblem des Nahverkehrs in der Münchner Region: Er ist immer noch strukturiert wie 1972, als man ein viel kleineres München mit seinem viel dünner besiedelten Umland verband. Nötig wäre der Einstieg in massive Investitionen und auch umstrittene Projekte wie den S-Bahn-Ring, ein Ausbau des Busnetzes, auch wenn dies zulasten des Individualverkehrs geht, mehr U-Bahnen über die Stadt-Peripherie hinaus, mehr Radwege und vieles andere, was seit Jahren in entsprechenden Analysen steht.

Dass diese Ziele mit einer weiteren Analyse erreicht werden, die nur wieder auflistet, dass etwas getan werden muss, darf bezweifelt werden. Denn selbst wenn sich die Kommunen auf einen gemeinsamen Weg einigen, für den öffentlichen Nahverkehr bräuchten sie den Bund und den Freistaat. Ersterer wird trotz angestoßener Debatte über die kostenlose Nutzung von Bussen, S- und U-Bahnen in den nächsten vier Jahren kaum für innovative Verkehrskonzepte zu gewinnen sein. Was den Freistaat angeht, hier fällt die Entscheidung im Herbst bei der Landtagswahl. Nur wenn dabei die Autolobby abgewählt wird, kann etwas gegen das Verkehrschaos geschehen.

© SZ vom 15.02.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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