Kommentar:Gute Aussichten für die Aussicht

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Die Anzinger Idee, durch Kategorien festzulegen, wo gebaut werden darf und wo auf keinen Fall, ist gut. Aber nur dann, wenn die Einstufung auch verbindlich ist

Von Wieland Bögel

Von der schönen Aussicht können wir nicht runterbeißen." Ein Argument, das so oder in ähnlicher Form immer dann aufkommt, wenn es darum geht, Landschaftsschutz gegen Wirtschaftsinteressen, etwa den Bau neuer Gewerbe- oder Wohngebiete, abzuwägen. Besonders im Norden und Westen des Landkreises ist man diesem Argument in den vergangenen Jahrzehnten oft bereitwillig gefolgt. Statt auf die schöne, aber weitgehend profitfreie Aussicht setzte man auf Wachstum und nahm dafür auch in Kauf, dass der Anteil der versiegelten Fläche in diesen Gemeinden immer weiter steigt. In Anzing versucht man nun mit einem neuen Ansatz, Wachstum und Schutz der Landschaft zusammenzubringen.

Entstehen soll ein Plan, der das Gemeindegebiet in drei Kategorien einteilt. Eine, in der Bauprojekte möglich sind, eine, in der sie absolut unerwünscht sind, und eine, in der in Ausnahmefällen gebaut werden darf. Die Abwägung, welches Gebiet in welche Kategorie fallen soll, dürfte den Gemeinderäten und der Verwaltung noch einige Anstrengung abverlangen. Genau wie die genaue Definition der Ausnahmen in der mittleren Kategorie. Die Frage, was dort gebaut werden darf, wird aller Wahrscheinlichkeit nach noch manche kontroverse Debatte befeuern.

Dennoch ist die Idee der Anzinger grundsätzlich eine gute. Dass man das Wachstum, gerade in den Gemeinden im direkten Einzugsbereich Münchens mit ihrem hohen Siedlungsdruck, nicht stoppen kann, dürfte jedem klar sein. Und dass Wirtschaft und Einwohnerzahl in der gesamten Region wachsen, ist ja auch nicht von Nachteil für die Kommunen. Wer anderer Meinung ist, möge einmal Städte und Dörfer in Regionen wie dem nördlichen Bayern besuchen, wo es die gegenteilige Entwicklung gibt. Wo immer mehr Leute und Gewerbe wegziehen, weil es immer weniger Leute und Gewerbe gibt und so weiter. Genau anders herum funktioniert es zum Glück derzeit im Großraum München - das Nachsehen haben dabei aber eben zu oft Natur und Landschaft.

Diese könnten davon profitieren, wenn eine Kommune bereits in der Vorplanung definitiv festlegt, wo sie Wachstum haben will und wo auf keinen Fall. Wichtig wäre allerdings, dass die nun geplante Schutz-Richtlinie auch verbindlich ist und bleibt. Denn sie kann ihren Zweck nur dann erfüllen, wenn es nicht bei der erstbesten Gelegenheit wieder heißt: "Aber davon können wir doch nicht runterbeißen."

© SZ vom 20.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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