Kommentar:Grundkurs Kapitalismus

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Dank Lehrermangels lernen die Kinder vor allem eines: ja nie über langfristige Folgen kurzfristigen Profits nachzudenken

Von Wieland Bögel

Der Satz, man lerne nicht für die Schule, sondern fürs Leben, ist bekanntermaßen ein auf den Kopf gestellter Seneca. Schon vor 2000 Jahren gab es Kritik am Bildungssystem, die im Falle Senecas darin bestand, man lerne zu viel für die Schule und zu wenig fürs Leben. Wohlmeinende Pädagogen modernerer Zeiten haben sich den alten Lateiner zum Ansporn genommen und seinen Spruch in umgedrehter Form zum Motto erhoben. Wie sehr dies im alltäglichen Unterricht dann zur Anwendung kommt, mag unterschiedlich sein - nicht aber, dass die Kinder in den Schulen was fürs Leben lernen. Und zwar die Grundlagen des Kapitalismus.

Lektion eins: Sparen bis es quietscht, und wenn es quietscht, weitersparen. Das zeigt sich an maroden Schulgebäuden, an fehlender Ausstattung, aber vor allem zeigt es sich am Lehrermangel. Dessen Ursache eine Personalpolitik ist, die man als verfehlt bezeichnen müsste - wäre sie nicht genau so gewollt. Wenn es zu wenig Lehrer gibt, liegt das nicht an Versäumnissen, im Sinne von schlechter Planung, sondern am Spardiktat des Freistaates. Mit Bekenntnissen zur Bildung mag man sich in Wahlkampfreden schmücken, aber kosten darf sie halt nur so wenig wie möglich. Und, auch das eine wichtige Lektion in Sachen Kapitalismus, gespart wird am besten und einfachsten beim Personal. Bei Lehrpersonal sieht das dann so aus, dass gerade so viele Leute eingestellt werden, wie unbedingt nötig. Die haben dann eben ein bisschen mehr zu tun - aber möglichst nicht dauerhaft, denn in den Schulen geht es zu wie am Bau: Außerhalb der Saison werden die Leute entlassen, soll doch das Arbeitsamt zahlen. Und auch die wichtigste Lektion des Kapitalismus wird gelehrt: nie über mögliche langfristige Folgen kurzfristigen Profits nachzudenken. Diese wären, dass sich immer weniger Leute finden, die den Job des Lehrers noch machen wollen. Was die Personalknappheit in den Schulen natürlich weiter verschärfen und ganz langfristig das Bildungsniveau senken wird.

Egal, wer nach dem 14. Oktober für die bayerischen Schulen zuständig sein wird, müsste hier dringend den Lehrplan ändern. Sonst wird irgendwann ein vor Jahren von der Satire auf den Kopf gestellter Edmund Stoiber zum neuen Motto der Bildungslandschaft: "Bayern lebt vom Rohstoff Geist - Bayern ist ein rohstoffarmes Land."

© SZ vom 29.09.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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