Kommentar:Folgenlose Zensuren

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An sich ist ein Bahn-Ranking keine schlechte Idee, wenn es denn ernsthafte Folgen für die Bewerteten hat. Wenn aber die Anforderungen so gesetzt sind, dass man sich anstrengen muss, um durchzufallen, verfehlt es seinen Sinn

Von Wieland Bögel

Diese Woche geht die Schule wieder los, damit beginnt auch wieder die Zeit der Zensuren. Für die Schüler ist das zwar gelegentlich ärgerlich, aber zumindest sind Schulnoten und ihre Folgen klar verständlich. Für Zensuren außerhalb von Schule, Lehre oder Uni gilt das nur bedingt, oft sagen diese nämlich entweder wenig aus, oder haben keine konkreten Konsequenzen - wie etwa das Qualitätsranking der Bayerischen Eisenbahngesellschaft (BEG).

Dort hat man kürzlich 31 Regionalverkehrsverbindungen im Freistaat überprüft, Kriterien waren die Sauberkeit der Fahrzeuge innen und außen, die Funktionsfähigkeit der Ausstattung, die Fahrgastinformation bei Normalbetrieb und bei Störungen, der Service durch die Zugbegleiter und wie die Betreiber auf Beschwerden reagieren. Dass die Pünktlichkeit - worauf es den meisten Passagieren wohl am meisten ankommt - nicht getestet wird, begründet die BEG damit, dass man nur Faktoren untersuche und bewerte "die ausschließlich im Einflussbereich der Eisenbahnverkehrsunternehmen liegen". An Verspätungen sind die Zugbetreiber eben nicht immer selber schuld, für Bäume, Kühe, Baustellen und Betrunkene auf den Gleisen kann ja keiner was. Doch leider hat auch das Qualitätsranking seine Macken: Es ist zu lasch. Von 31 überprüften Zugverbindungen sind genau vier durchgefallen. Das bedeutet, sie haben eine negative Bewertung erhalten und müssen Strafe zahlen. Die übrigen 27 bekommen dagegen Zuschüsse von der BEG. Wie viel das jeweils ist, bemisst sich an einer Prozentzahl, die aus den untersuchten Faktoren gebildet wird.

An sich ist so ein Bonus-Malus-System keine dumme Idee, wenn es denn ernsthafte Folgen für die Bewerteten hat. Wenn aber die Mindestanforderungen so gesetzt sind, dass man sich schon richtig anstrengen muss, um durchzufallen, verfehlt es seinen Sinn. Schließlich soll es die Bahnbetreiber dazu anhalten, ihre Leistung zu verbessern. Dazu darf ruhig etwas mehr Druck aufgebaut werden, etwa indem man die Tabelle pauschal in der Mitte teilt: Wer in der oberen Hälfte landet bekommt Zuschüsse, wer darunter liegt muss zahlen. Ansonsten setzt das übliche Korrektiv ein, wie man es bei anderen Produkten und Dienstleistungen kennt: Die Konkurrenz. Nur dass die bei der Bahn nicht "andere Bahn" heißt - die gibt es so gut wie nie - sondern Individualverkehr. Und der bekommt ja, was gesellschaftlich relevante Güter wie Umweltbelastung, Flächenverbrauch und Lebensqualität von Straßenanwohnern betrifft, ziemlich schlechte Noten.

© SZ vom 09.09.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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