Kommentar:Es gibt viel zu tun, warten wir's ab

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Die CSU gibt im Vaterstettener Gemeinderat eine entlarvende Vorstellung ab. Sie will nicht mehr Klimaschutz - traut sich aber offenbar nicht, das offen zu sagen

Von Wieland Bögel

Si tacuisses, philosophus mansisses", diesen Reim, der auf eine Geschichte des spätantiken Gelehrten Boethius zurückgeht, kann sich die Vaterstettener CSU auf T-Shirts drucken lassen. Denn ihr ging es nun ähnlich wie dem Protagonisten in Boethius' Geschichte, der sich für schlauer hält, als er ist - dieses Manko aber erst durch eine ungeschickte Zurschaustellung der dann gar nicht so übermäßig vorhandenen Schläue offenbar macht. "Hättest Du geschwiegen, wärst du Philosoph geblieben", entgegnet ihm daraufhin der echte Weise. Weise wollte auch die CSU sein, indem sie dem Antrag der SPD auf Ausrufung des Klimanotstandes einen eigenen entgegengestellt hat - der dann doch in ziemlich offensichtlicher Weise entlarvend war.

Denn natürlich kann man über Begriffe streiten, etwa den "Notstand". Ginge es aber nur um diese, hätte sich das Problem schnell lösen lassen, der Umweltausschuss des Kreistags hat es vorgemacht. Problematischer wird es da schon, wenn man - in zugegebenermaßen alter Vaterstettener Tradition - den Blick über den Tellerrand mit Verweis auf Nichtzuständigkeit verweigert. Natürlich kann die Gemeinde Vaterstetten weder Land noch Bund zu irgendeiner Handlung zwingen - aber dass ein Appell, eine Petition oder wie auch immer man es nennen will, komplett wirkungslos ist, glaubt man nicht einmal bei der CSU. Oder warum haben die Christsozialen erst vor wenigen Monaten eine Petition an Land, Bund und Bahn nach mehr Lärmschutz an der Strecke mitbeschlossen? Wohl doch, weil die Gemeinde für solche Maßnahmen eben nicht zuständig ist, aber auf jene einzuwirken hofft, die es sind.

Geradezu entlarvend sind dagegen zwei andere Punkte in dem CSU-Antrag. Zum einen die Ablehnung des Primats der Klimaschutzes, wie ihn der SPD-Antrag fordert und der den Kern der ganzen Sache bildet. Klimaschutz gehe halt nicht immer, so das Argument der CSU, oft müssten andere Aspekte stärker berücksichtigt werden, ohnehin mache man schon, was man könne. Heißt konkret: Weiter so wie gehabt. In die gleiche Richtung geht auch die Forderung nach Wiederaufnahme des Geothermieprojektes. Dieses ist 2013 beerdigt worden, weil sich nach fast zwei Jahrzehnten Vorbereitung und Grobplanung einfach keine Möglichkeit fand, es zu finanzieren. Eine Wiederaufnahme würde zu keinem anderen Ergebnis führen, es wäre lediglich eine Klimaschutz-Simulation.

Nun muss man ja nicht für Klimaschutz sein, vielleicht weil man den Klimawandel für "Fake News" hält, der Meinung ist, man sei entweder nicht schuld oder könne eh nichts machen, oder ohnehin nicht plant, lange genug zu leben, um mit den Folgen konfrontiert zu werden. Nur sollte man das dann auch offen sagen und nicht versuchen, eine Ablehnung von mehr Klimaschutz zu einer irgendwie-doch-Zustimmung umzudeuteln - und das auch noch schlecht. Zumindest einer in der CSU, Zweiter Bürgermeister Martin Wagner, hat das erkannt, und mit seinem Vertagungsantrag die Reißleine gezogen, bevor sich die Fraktion komplett blamieren konnte. Wenn auch etwas zu spät, zum Philosophen reicht es nach dieser Vorstellung eher nicht.

© SZ vom 15.07.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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