Kommentar:Erst erklären, dann fragen

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Wer Umfrageteilnehmer wie Versuchskaninchen behandelt, muss sich nicht wundern, wenn die nicht mehr mitmachen wollen

Von Jan Schwenkenbecher

Das Wildkaninchen ist nicht unbedingt der beste Freund des Hobbygärtners. Es frisst, es buddelt, es scheidet aus - zieht eine Kaninchenkolonie in den gepflegten Kleingarten ein, ist das Beet in kürzester Zeit nur noch Kraut und Rüben - oder nicht einmal mehr das. Aus der Ferne aber, aus dem Elfenbeinturm der Wissenschaft, sehen Karnickel und Kleingärtner anscheinend, trotz eklatanter Interessenskonflikte, sehr ähnlich aus: Wildkaninchen, Versuchskaninchen, das ist gehüpft wie gesprungen.

Das Sinus-Institut, ein privates Markt- und Sozialforschungsinstitut, führt gerade, im Auftrag des Bayerischen Landesverbands für Gartenbau und der Bayerischen Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau (LWG) eine Umfrage unter den bayerischen Gartenbauvereinen durch. Die Interessen der Mitglieder rund um den Garten sollen erforscht werden. Neben der Größe des Gartens wird aber auch nach den Speise- und Filmvorlieben und vielen anderen Themenbereichen mehr gefragt. Zahlreiche Freizeitgärtner im Landkreis Ebersberg verstehen nicht, wie das zusammenhängt. Sind wütend, fühlen sich benutzt.

Dabei ist der Streit absurd, vollkommen unnötig. Das Sinus-Institut ist eine der renommiertesten Forschungseinrichtungen im Land. Solche Fragebögen sind nicht willkürlich zusammengepflanzt. Die Fragen werden penibel ausgesucht, jedes Wort bedacht, einige negativ, andere positiv formuliert, mal lang, mal kurz. Sie werden geändert, getestet, wieder geändert, wieder getestet. Jede Frage hat ihren Zweck. Und wie die Einstellung zu Gewaltfilmen mit dem Angebot der Verbände zusammenhängt, ist schnell erklärt: Das Sinus-Institut ordnet Menschen anhand ihrer Wertvorstellungen und Lebensweisen in zehn verschiedene Kategorien ein, die Sinus-Milieus. Weiß es nun, aus welchen Milieus die Hobby-Gärtner kommen, kann so auch das Angebot verbessert werden.

Das Problem ist aber, dass das Institut genau das nie erklärt hat. Denn auch wenn die Forscher das gerne anders sehen, kennt nicht jeder Mensch die Sinus-Milieus. Außerdem reicht es je nach Zielgruppe auch nicht aus, einfach zu sagen, dass eine Umfrage anonym ist. Woher soll der Freizeitgärtner, der den Link zum Fragebogen persönlich per E-Mail erhalten hat, dass beim Sinus-Institut nur ein Datenblatt mit vielen Zahlen eingeht. Dass Name oder Adresse der Teilnehmer dort nirgends auftauchen. Dass Rückschlüsse auf einzelne Personen nicht möglich sind, sondern nur über die Garten-Community Bayerns als Ganzes. Zwei Fehler, die die Hobby-Gärtner auf die Palmen brachten.

Für das Sinus-Institut sind die Kleingärtner scheinbar nur Versuchskaninchen, nicht mehr als ein Zahlencode in ihrer Excel-Tabelle. Diese Einstellung ist fatal, denn einer der wichtigsten Punkte eines Fragebogens ist die Akzeptanz. Wichtig nicht nur für das Wohlbefinden der Probanden, sondern auch für das Funktionieren der Umfrage: Wird diese von den potenziellen Teilnehmer nicht akzeptiert, brechen sie ab oder machen gar nicht erst mit, dann bekommt das Institut keine Informationen. Und die Gartenbauer sind wütend, fühlen sich übergangen. Eine Lose-lose-Situation.

© SZ vom 05.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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