Kommentar:Entschleunigt euch!

Lesezeit: 2 min

Das Miteinander auf den Straßen ist ruppig, dabei hätten von mehr Gelassenheit alle etwas - Radler, Reiter und auch Autofahrer

Von Alexandra Leuthner

Fragt man den Radler Matthias Niedermair, wie er sich ein besseres Miteinander auf den Straßen im Allgemeinen und für Radfahrer im Besonderen vorstellt, wünscht er sich weniger Verkehr und ein wenig mehr Gelassenheit. Vor allem bei den Autofahrern. Die meisten stünden doch ständig unter Strom. Ganz gleich, ob sie auf dem Weg zur Arbeit oder nach Hause seien, zum Einkaufen, zum Sport, zur Oma. Sei es nicht egal, ob es acht oder zwölf Minuten dauere, um irgendwo hinzukommen? Ein bisschen Entschleunigung, das wäre schön.

Nun ist der Chef der Radsparte beim RSC Elkofen vermutlich selbst auch Autofahrer, und, seien wir ehrlich, wir wissen alle, wovon er spricht. Wir stecken mitten drin im großen Sog des Mit- und des Irgendwohinmüssens, des Schonlängstdortsein- am besten schon Dortgewesen-seinwollens. Da kommt einem so ein Radler, der einen zwingt, abzubremsen - zu bremsen! - gerade recht. Fenster auf, rausschimpfen, "da drüben ist ein Radl-weg, du Depp!" Mag sein, dass der Weg holprig und kaum benutzbar ist, aber das ist uns völlig wurscht in unserer Wut. Wir haben Recht! Vielleicht aber ist der Weg auch ganz in Ordnung, und dem Rennradler ist es nur zu blöd, ständig hinter Familien mit Kleinkindern einscheren zu müssen. Das wäre ja, als würde er mit seinem SUV hinter einem VW Polo hertuckern... Da erträgt er lieber das Überholt- und Beschimpftwerden, auch wenn er jedes Mal den unguten Sog der viel zu knapp vorbeirasenden Fahrzeuge spürt.

Und so sind alle genervt: Die Autofahrer, weil sie Rücksicht auf die Radler nehmen müssen, die Radler, weil es vielen Autofahrern wurscht ist, dass die Zweiräder tatsächlich das Recht haben, öffentliche Straßen zu benutzen. Ja, manchmal dürfen sie sogar nebeneinander fahren und gelegentlich auch verkehrt herum durch eine Einbahnstraße. Rennradler regen sich über Spazierfahrer auf, Spazierfahrer über Fußgänger, die ihrerseits auf dem Radweg flanieren, und jetzt geraten auch noch Reiter und Radler aneinander.

Das mit der Entschleunigung ist ein schöner Gedanke. So mancher Unfall wäre nicht passiert, wenn manch einer mal vom Gas gegangen wäre, die eine oder andere Vorfahrt gewährt hätte. Wer mag, darf das jetzt ruhig im übertragenen Sinne verstehen. Auch den Radfahrern vom RSC Elkofen möchte man zurufen "hättet ihr doch ein bisschen Tempo rausgenommen, als die Pferde auf euch zukamen, nur an dieser einen Stelle". Dass der Verkehr auf allen Wegen im Großraum München jemals wieder abnimmt, aus diesem Wunsch wird wohl nichts. Also bleibt nur eins: Gehen wir alle mal ein bisschen vom Gas. Schnell jetzt, verdammt!

© SZ vom 15.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: