Kommentar:Elektrisierte Genossenschaft

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Die Ebersberger und Wasserburger Wohngenossenschaften geben dem E-Auto eine Chance - ein zukunftsfähiger Weg

Von Moritz Kasper

In einer Gemeinschaft wohnen, dabei gesellschaftliche Grenzen überwinden, am Fortschritt teilhaben - in den Zwanzigerjahren des 20. Jahrhunderts war sozialer Wohnungsbau mehr als nur eine Form der Unterbringung. Er stand für eine neue, sozialdemokratische Form des Zusammenlebens, galt als moderner und zukunftsfähiger als die klassischen Wohnformen. Von diesen Vorstellungen ist heute nicht mehr viel übrig. Eher ist geförderter Wohnraum unbeliebt, zumal bei den potenziellen Nachbarn, als würde er soziale Spaltung mehr vorantreiben als ihr entgegen zu wirken.

Doch die Ebersberger Wohngenossenschaft steht in der großen Tradition jener gesellschaftspolitischen Zukunftsideen der 20er Jahre, wenn sie jetzt Vorreiter einer modernen nachhaltig-sozialen Idee sein will. Die Ebersberger- und Wasserburger Wohngenossenschaften sind gewissermaßen bereits davon elektrisiert, viele der derzeit entstehenden Genossenschaftswohnungen mit zukunftsfähiger Ladeinfrastruktur ausstatten zu wollen, um dem E-Auto eine Chance zu geben. Käufer herkömmlicher Neubauwohnungen schauen dagegen vielerorts noch in die Röhre.

Momentan ist eine Elektroladestation ja noch kein großes Verkaufsargument, da wenige Leute Elektroautos besitzen oder planen, sich in näherer Zukunft eines zuzulegen. Somit hatten profitorientierte Bauherren bisher kaum die Motivation, sich mit diesem Thema auseinanderzusetzen. Genossenschaften aber haben dagegen meist nicht nur den Profit im Auge, sondern auch eine lebenswerte Zukunft und Gegenwart der Bewohner und die Stadtentwicklung - was in diesem Fall zu Investitionen geführt hat, die die Energiewende vorantreiben.

Dies zeigt, wie sinnvoll die staatliche Förderung von Genossenschaften und das Einräumen von Vorkaufsrechten für Grundstücke ist. Genossenschaften schaffen nicht nur Wohnraum für Geringverdiener, sondern drücken auch die Mietpreise. Sie erweisen sich als modernes Konzept, das in der Tradition des sozialdemokratischen Gedankens der Zwanzigerjahre zukunftsfähige gesellschaftspolitische Strukturen schafft und alle am Fortschritt teilhaben lässt.

© SZ vom 10.10.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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