Kommentar:Einfach mal nichts tun

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Jeder Grashalm wird getrimmt, jede Hecke zurechtgestutzt, jedes Blättchen entfernt. Da ist es nicht verwunderlich, dass keine Spatzen mehr irgendwas von den Dächern pfeifen

Von Alexandra Leuthner

So eine Baulücke ist eine wunderbare Sache - für denjenigen, dem sie gehört, für jenen, der sie bebauen darf, und schließlich auch für die Natur. Für letztere allerdings nur, so lange die Lücke Lücke sein darf und Lebensraum für Kleingetier und sogenanntes Unkraut bietet. Leider ist es mit der Herrlichkeit meistens vorbei, wenn sie geschlossen wird. Wenn jeder Quadratmeter versiegelt ist, außer den vorgeschriebenen Abstandsflächen kaum mehr ein Plätzchen Erde übrig bleibt, auf dem ein paar Grashalme wachsen könnten. Nun, es sei Bauherren angesichts der hiesigen Bodenpreise zugestanden, dass sie keinen Platz zu verschenken haben.

Leider aber, so zeigt mancher Spaziergang durch welche Nachbarschaft in der Region auch immer, ist es damit nicht genug, sondern es kommt für das bisschen Restnatur noch dicker. So ein Garten ist ja kein ordentlicher Garten, wenn er einfach macht, was er will. Vor zwei Jahren hat man noch mit Überzeugung und großen Worten für das Bienenvolksbegehren unterschrieben, hat über Blühstreifen philosophiert und hätte am liebsten allen Bauern das Bearbeiten ihrer Felder verboten, und jetzt bestellt man den Kipplaster, um den eigenen Garten unter Schotter zu begraben. Ja kein Blümchen und bloß kein Unkraut soll die Chance haben, das strahlende Weiß des Vorgartens zu trüben, rundherum wird ein Sichtschutzzaun gesetzt, in Vollplastik und pflegeleicht, ökologisch aber eine Nullnummer. Fast möchte man an dieser Stelle eine Lanze für die gute alte Thujenhecke brechen, die hat zwar auch kaum Nährwert, ist aber wenigstens grün, wächst aus eigener Kraft aus dem Boden und filtert schlechte Luft. Selbst sie aber hat den Kampf gegen den Gabionenzaun längst verloren. Und was sonst vom natürlichen Urzustand des Grundstücks noch übrig ist, kommt unter den Rasenmäher, am besten gleich unter den selbstfahrenden, der rund um die Uhr dafür sorgt, dass nichts wächst, was man nicht selbst unter Kontrolle hat. Schließlich machen die Nachbarn es ja auch nicht anders und warten schon drauf, dass man endlich entmoost, entkrautet und düngt auf Teufel komm raus, weil sonst ja die Löwenzahnpollen zu ihnen hinüberfliegen.

Und dann wundern wir uns, wenn kein Spatz mehr irgendwas von unseren Dächern pfeift, wenn es still wird in den sterilen Hochglanzvorzimmern. Dabei könnten wir es uns leicht machen, indem wir einfach mal nichts tun, oder ein bisschen weniger. Mal ein paar Blätter unter die Büsche kehren, Gänseblümchen stehen lassen, die Hecke nicht in Form trimmen, um Vögeln Platz zum Nisten zu schaffen. Da reden wir noch nicht mal davon, Nistkästen aufzuhängen oder Niststeine in die Hausmauer zu bauen.

© SZ vom 29.01.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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