Kommentar:Eine Spritze als Dankeschön

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Kinder und Jugendliche mussten in der Pandemie immer zurückstecken. Höchste Zeit, dass Erwachsene jetzt auch mal etwas für sie tun - und sich endlich impfen lassen

Kommentar von Anja Blum

Ganz klar: Es ist ein Dilemma, vor dem Eltern von Teenagern gerade stehen. Soll man, sagen wir, einen knapp 13-Jährigen gegen Corona impfen lassen oder nicht? Für beides gibt es sehr gute Gründe. Einerseits will jede Mutter, jeder Vater das eigene Kind schützen. Sei es nun vor einer möglicherweise gefährlichen Infektion oder vor möglichen Impfkomplikationen. Beides ist bei einem gesunden Jugendlichen sehr unwahrscheinlich - aber nicht undenkbar. Da sich aber die Datenlage bislang eher bescheiden ausnimmt und auch eine generelle Empfehlung der Ständigen Impfkommission fehlt, ist es vor diesem Hintergrund allein sehr schwer, eine Entscheidung zu fällen. Und persönliche Vorteile im Sinne offener Schulen oder Sportvereine darf man vermutlich nicht erwarten, dazu müsste die Quote unter den Jugendlichen im Herbst schon immens sein. Die Abwägung bleibt also Gefühlssache: Wovor habe ich mehr Angst? Vor der Spritze oder dem Virus?

Der zweite Gedanke geht weg vom eigenen Nachwuchs hin zur Gesellschaft: Jeder, der sich impfen lässt, trägt zum Schutz aller und damit zur Bekämpfung der Pandemie bei. Stichwort: Herdenimmunität. Nun ist es aber so, dass schon unter den Erwachsenen - für die der Nutzen einer Impfung ja das Risiko einer Impfung deutlich übersteigt - diese Art der Solidarität offenbar nicht sonderlich verbreitet ist: Die Impfquote dümpelt auch im Landkreis Ebersberg schon lange nur so vor sich hin. "Jetzt, ausgerechnet im Urlaub, lieber erstmal keine Spritze..." Ja, sind wir hier bei Wünsch-dir-was?

Hart formuliert: Viele Ältere, für deren Schutz die Kinder und Jugendlichen schon so lange auf so vieles verzichtet haben, verweigern sich der Impfung, aus welchen Gründen auch immer. Von den Familien aber erwartet die Politik, dass sie nun erneut zum Wohle aller agieren? Ewig keine Schule, kein Sport, keine Freunde - und als Dankeschön eine Spritze. Das ist schon starker Tobak. Dem zuzustimmen ließe sich nur verbuchen unter dem traurigen Kapitel "Der Klügere gibt nach".

© SZ vom 05.08.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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