Kommentar:Eine klare Rechnung

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Mit viel Engagement und Energie haben Helferkreise sich überall - auch in der kleinsten Landgemeinde - der Asylbewerber angenommen; jetzt aber besteht die Gefahr, dass alles, was in den vergangenen Jahren aufgebaut worden ist, mit einem Handstreich eingerissen wird

Von Barbara Mooser

Es waren Jahre, die alles andere als einfach waren. Es waren Jahre, in denen man an einigen Mitmenschen verzweifeln wollte. Und es waren Jahre, in denen man nichts anderes als Hochachtung und Bewunderung für viele andere empfinden konnte. "Wir schaffen das", hatte Kanzlerin Angela Merkel über die Bewältigung der Flüchtlingskrise gesagt, und dass vieles tatsächlich auf einem guten Weg ist, das ist auch in den Gemeinden des Landkreises jeden Tag zu erkennen.

Mit viel Engagement und Energie haben Helferkreise sich überall - auch in der kleinsten Landgemeinde - der Asylbewerber angenommen; sie zeigen ihnen nicht nur, wo man einkauft und wie man Behördengänge absolviert, gemeinsam wird auch genäht, gekocht, Fußball gespielt und gefeiert. Asylbewerber helfen als Schülerlotsen oder beim alljährlichen Ramadama, sie fühlen sich zugehörig. Viele haben Paten, die sich intensiv um sie kümmern, bei denen sie sogar zu Familienfesten und zu Weihnachten eingeladen werden.

Jetzt aber besteht die Gefahr, dass alles, was in den vergangenen Jahren aufgebaut worden ist, mit einem Handstreich wieder eingerissen wird: Der Ministerrat wünscht ausdrücklich, dass Flüchtlinge aus dezentralen Unterkünften in zentrale Unterkünfte verlegt werden. Noch ist nicht klar, wie genau sich das im Landkreis auswirkt, ob das Landratsamt tatsächlich gezwungen wird, die vielen kleinen Unterkünfte aufzulösen, die die Betreuung umständlicher machen und mehr Geld kosten als eine Massenunterkunft - und das alles dennoch mehr als wert sind. Denn als Bonus gibt es obendrauf den Einsatz der zahlreichen Ehrenamtlichen, der unbezahlbar ist und der sich langfristig für die Gesellschaft verzinsen wird.

Dass sich auch die Helfer gewaltig ins Zeug legen werden, die die Flüchtlinge in den großen Unterkünften betreuen wollen, ist unbestritten. Doch die intensive Zuwendung, die die dezentral untergebrachten Asylbewerber erfahren, können sie aus Kapazitätsgründen gar nicht leisten. Viel hilft viel, dieser Grundsatz gilt sicher nicht immer. Doch wenn es um die Flüchtlingsbetreuung geht, kann man klar sagen: Viele helfen viel.

© SZ vom 30.05.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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