Kommentar:Eine Aufgabe für alle

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Wenn die Kommunen neues Bauland ausweisen, müssen sie auch dafür Sorge tragen, dass darauf bezahlbare Wohnungen errichtet werden

Von Wieland Bögel

Wohnungsnot. Für wohl die meisten klingt dieses Wort wie aus dem Geschichtsbuch, Kapitel "Frühe Nachkriegszeit." Als die Städte in Trümmern lagen, sich mehrere Familien wenige Zimmer teilen mussten. Wer daher heute von Wohnungsnot spricht, besonders im reichen Münchner Speckgürtel, dem mag man Übertreibung vorwerfen. Nicht ganz zu Unrecht, denn von Zuständen anno 1945ff ist man zum Glück weit entfernt. Was aber nicht bedeutet, dass es beim Wohnen keine Not mehr gäbe, auch und gerade im reichen Münchner Speckgürtel. Eine gemeinsame Initiative von Landkreis und Kommunen für mehr Wohnraum, wie sie nun der Landrat angekündigt hat, ist daher nicht nur eine gute Idee, sondern eine Notwendigkeit.

Aktueller Anlass für den Vorstoß sind die steigenden Zahlen anerkannter Asylbewerber. Diese müssen, so sie sich keine eigene Wohnung leisten können, von den Kommunen untergebracht werden. Doch die Flüchtlinge sind längst nicht die einzigen, die auf dem überhitzten Wohnungsmarkt in der Region ins Schwitzen kommen. Erst im vergangenen Monat stand im Vaterstettener Gemeinderat das Thema Obdachlosenunterbringung auf der Tagesordnung. Dabei ging es auch darum, für wen die Gemeinde ein Dach über dem Kopf bereitstellen muss: Es sind mittlerweile immer mehr Familien mit Kindern, die aufgrund plötzlicher Notlagen ihre Wohnung verlieren und aufgrund der hohen Preise so bald auch keine neue Bleibe finden können.

Wichtig wäre allerdings, dass am Ende die richtige Form des Wohnraums entsteht, die auch für Menschen mit geringem Einkommen erschwinglich ist. Denn zwar stimmt die Aussage des Landrates, dass gebaut wird, wo immer es möglich ist. Bezahlbar ist dieser Wohnraum aber noch lange nicht. Wie man es nicht machen sollte, haben die Grafinger bei ihrem Einheimischenbauland in der Wolfsschlucht vorgemacht. Dort war das günstigste Haus trotz verbilligter Grundstücke für eine Dreiviertelmillion zu haben - zu teuer für die jungen Familien, für die solche Projekte eigentlich gedacht sind. Das Gegenbeispiel stammt aus Ebersberg, wo die Stadt zusammen mit der Wohnungsgenossenschaft Ebersberg und dem Katholischen Siedlungswerk München die alten Sozialwohnungen aus den 1950er Jahren nicht nur durch moderne ersetzt und noch einige zusätzliche gebaut hat, sondern auch den trostlosen Platz in ein attraktives Quartier umgestaltet hat. Wenn die Initiative des Landrates mehr solcher Projekte ermöglicht, hätte man aus der Not eine Tugend gemacht.

© SZ vom 03.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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