Kommentar:Ein Wunsch geht in Erfüllung

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An der Grafinger Dobelkapelle, die vor einem Monat abgebrannt ist, hingen viele Herzen und Erinnernungen. Deshalb soll sie erfreulicherweise wieder aufgebaut werden.

Von Anja Blum

Der Weg ist das Ziel", sagt Konfuzius und hat in vielen Fällen sicher Recht damit. Doch wer gelegentlich spazieren geht - sei es ganz allein, mit Freunden, Kindern oder Hunden -, der weiß, dass es sehr schön sein kann, ein Ziel vor Augen zu haben. Das empfinden offenbar auch viele Grafinger so. Und ein Anziehungspunkt war für sie offenbar bislang die Dobelkapelle neben dem Waldfriedhof, die vor einem Monat abgebrannt ist. Archivar und Museumsleiter Bernhard Schäfer sowie Bürgermeisterin Angelika Obermayr jedenfalls berichten davon, dass die Kunde vom Brandunglück "von weiten Teilen der Bevölkerung mit großer Betroffenheit" aufgenommen worden sei. Von Trauer und Schock ist die Rede, und davon, dass an dem kleinen hölzernen Bau offenbar viele Herzen und Erinnerungen hingen. Die Zerstörung der Kapelle sei "ewig schod'" - lautet der Tenor.

Und das in Zeiten, in denen die Kirchen sich nicht gerade über zunehmende Beliebtheit freuen können? Wie passt das zusammen? Die Menschen in Grafing, so scheint es, haben trotzdem Sinn für religiöse Riten, für meditatives Innehalten oder zumindest für stille Momente. Sie spüren: Eine Kapelle wie diese ist ein besonderer, ein heiliger Ort. Ein Platz, an dem man aus dem Karussell des alltäglichen Wahnsinns aussteigen kann und sollte. Hinzu kommt, dass die Dobelkapelle auf eine lange, sehr bewegte Geschichte zurückblickt: Zweimal ist sie schon umgezogen, zweimal gänzlich niedergebrannt, dreimal wurde sie bereits neu errichtet. Seit mindestens 150 Jahren gibt es eine Dobelkapelle in Grafing. Von Version Nummer zwei nämlich weiß man, dass sie im Jahr 1870 entstanden ist. Insofern war dieses kleine Bauwerk ein Kleinod - nicht nur im architektonischen und religiösen, sondern auch im ideell-historischen Sinne.

Deswegen ist es einfach wunderbar, dass Bürgermeisterin und Co. nun beschlossen haben, gemeinsam wieder eine Dobelkapelle errichten zu wollen. Und zwar egal, ob die Versicherung für den Feuerschaden aufkommt oder nicht. Damit beweisen die Verantwortlichen, dass sie die Sehnsucht der Grafinger nach einem solch besonderen Ort am Waldrand ernst nehmen und wertschätzen. Und damit auch ja niemand von dem Neubau enttäuscht sein wird, soll Nummer fünf ihrem Vorgänger eins zu eins gleichen. Sogar auf Kerzen möchte man nicht verzichten - obwohl deren Flammen möglicherweise den Brand ausgelöst haben. Von wem die neue Kapelle gebaut und bezahlt wird, steht zwar noch in den Sternen. Aber das Ziel ist klar. Und das ist das Wichtigste.

© SZ vom 12.05.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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