Kommentar:Ein Verein handelt

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Obwohl die Finanzierung von Tagespflegeeinrichtungen seit 2015 deutlich leichter geworden ist, hat sich im Landkreis nichts in dieser Richtung getan. Nun hat die Vaterstettener Nachbarschaftshilfe die Zeichen der Zeit - oder des demografischen Wandels - erkannt

Von Anja Blum

Zu Hause alt werden, ambulant vor stationär: Der Schlagworte sind es viele, mit denen Politiker, Institutionen und Unternehmen publikumswirksam auf den demografischen Wandel reagieren. Fakt ist, dass es immer mehr betagte Menschen gibt, die nicht mehr in der Lage sind, ohne Hilfe in ihrer gewohnten Umgebung zu leben. Doch Verbesserungen im Umgang mit dieser Situation gehen, wenn überhaupt, nur sehr langsam vonstatten. Praktikable und vor allem bezahlbare Lösungen zu finden, ist für Betroffene und deren Angehörige nach wie vor schwer. Gerade, weil für viele weder eine stationäre Unterbringung im Heim noch eine Rund-um-die-Uhr-Betreuung durch Familienmitglieder infrage kommt.

Ein schöner Mittelweg kann hier die Tagespflege für Senioren sein. Im Landkreis gibt es jedoch bislang nur eine Einrichtung, die dieses Modell anbietet: Den "Grafinger Seniorentreff" können Pflegebedürftige stunden- oder tageweise besuchen, sie werden dort betreut, finden Gesellschaft und Abwechslung. Die pflegenden Angehörigen wiederum werden dadurch entlastet, können eine Pause einlegen, ihren Interessen nachgehen, Termine wahrnehmen - kurzum: wieder Kraft schöpfen für ihre anstrengende Aufgabe.

Die Heime im Landkreis bieten, wenn überhaupt, nur ein paar wenige Plätze für externe Gäste an, die sich dann allerdings in den üblichen Tagesablauf einfinden müssen. Wenn nach dem Essen viele Bewohner ein Nickerchen machen, man selbst aber kein Bett, sondern nur einen Sessel zur Verfügung hat, ist das allerdings nicht so optimal. Nur in einem Heim wurde mal ein Leuchtturmprojekt in Richtung Tagespflege gestartet, musste allerdings bald wieder aufgegeben werden - obwohl sich Christa Stewens, ehemalige bayerische Sozialministerin aus Poing, für den Pilotversuch in Vaterstetten stark gemacht hatte.

Mittlerweile, seit Anfang 2015, haben sich die Rahmenbedingungen für Tagespflege jedoch deutlich verbessert. So ist es viel einfacher geworden, Fördermittel zu beantragen, und auch die Eigenbeteiligung für Angehörige ist entscheidend gesunken. Trotzdem ist in diesen eineinhalb Jahren im Landkreis nichts passiert, wurde kein einziges neues Angebot geschaffen. Nun ist es ein Verein, die Vaterstettener Nachbarschaftshilfe, der die Zeichen der Zeit nicht nur erkennt, sondern auch entsprechend handelt. Für dieses Engagement verdient er allerhöchste Anerkennung.

© SZ vom 22.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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