Kommentar:Ein Schritt voran

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Wenn sich Ebersberg nicht zu einem Landkreis entwickeln soll, den sich Erzieherinnen, Pflegekräfte oder andere Menschen, die extrem wichtige Arbeit in extrem schlecht bezahlten Jobs machen, nicht mehr leisten können, müssen Wohnungen gebaut werden

Von Barbara Mooser

Ein stinkendes, kaltes Zimmer mit verfaulenden Bodendielen und einem Gemeinschaftsbad, um das man am liebsten einen weiten Bogen machen möchte: So etwas bekommt man im reichen Landkreis Ebersberg für 400 Euro im schlimmsten Fall. Das hat im vergangenen Jahr ein mutiger Bewohner einer Unterkunft in Jakobneuharting offen gelegt, der dafür prompt auch noch aus dieser Bruchbude geworfen wurde. Sicher, es gibt auch Ausnahmen, doch richtig günstige Wohnungen sind rar und heiß begehrt. Und Menschen, die länger arbeitslos sind und von Hartz IV leben müssen, stehen bei vielen Vermietern nicht ganz oben auf der Liste der bevorzugten Kandidaten. Für jede Sozialwohnung gibt es 30 bis 40 Bewerber, auch das zeigt den Ernst der Lage.

Insofern war es eine wichtige und überfällige Entscheidung des Landkreises, die Mietobergrenzen für Hartz-IV-Bezieher deutlich anzuheben. Sie trägt dazu bei, dass dieser Personenkreis nicht noch mehr an den Rand gedrängt wird, sie signalisiert auch: Ihr seid uns mehr wert. Luxuslösungen finanziert der Landkreis dennoch niemandem, doch immerhin einen Platz in der Mitte der Gesellschaft.

Trotzdem muss sich niemand etwas vormachen: Einfach wird die Wohnungssuche künftig weder für Hartz-IV-Bezieher, noch für andere Menschen, die nicht viel Geld haben. Das liegt ganz einfach daran, dass es insgesamt viel zu wenig erschwingliche Mietwohnungen auf dem Markt gibt. Eine aktuelle Sozialanalyse des Landratsamts hat gezeigt, dass bereits jetzt immer mehr Menschen aus dem Landkreis aus finanziellen Gründen in Regionen ziehen, die noch weiter von der Landeshauptstadt entfernt liegen. "Soziale Verdrängung durch sozio-ökonomisch besser gestellte Bevölkerungsgruppen" nennt sich das dann.

Wenn sich Ebersberg nicht irgendwann gänzlich zu einem Landkreis entwickeln soll, in dem Erzieherinnen, Pflegekräfte oder andere Menschen, die extrem wichtige Arbeit in extrem schlecht bezahlten Jobs machen, keinen Platz mehr für sich sehen, dann muss man hier ansetzen. Mehr Wohnungen, daran geht kein Weg vorbei. Die Verantwortung, hier die richtigen Entwicklungen einzuleiten, liegt bei den Gemeinden. Doch das dringt bislang nur sehr langsam durch.

© SZ vom 11.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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