Kommentar:Ein bisschen reicht nicht mehr

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Den Zuzug können die Kommunen schwer steuern, ihren Umgang damit aber schon: Durch vorrausschauende Planung von Neubauten

Von Wieland Bögel

Es darf ein bisschen mehr sein - diesen Satz hört man in jüngster Zeit nicht nur im Lebensmitteleinzelhandel, sondern in Stadt- und Gemeinderäten im ganzen Landkreis. Und zwar immer dann, wenn es um die Frage geht, wie viel gebaut werden darf. Etwa in Zorneding auf der Wimmerwiese, in Vaterstetten im Wohngebiet Nordost, in Friedenseiche VIII in Ebersberg und in den Baugebieten W 7 und 8 in Poing. Unstrittig sind diese Verdichtungen nicht, wenn nicht in den Gremien selbst bereits Gegenrede kommt, dann von den Bürgern.

Oft ist zu hören, dass, egal wie viel und wie dicht gebaut werden darf, dies den Bedarf an Wohnraum nicht beenden werde. Das ist einerseits nicht falsch, andererseits nicht besonders hilfreich. Denn wer so argumentiert, muss auch das Essen einstellen - nützt ja nichts, in ein paar Stunden ist man eh wieder hungrig. Abgesehen davon, dass ein Stopp bei der Ausweisung neuer Wohngebiete einer Kommune erhebliche Nachteile brächte. Zum einen durch die dann extrem steigenden Preise, egal ob für Käufer oder Mieter. Dies führt zu einer Verdrängung, immer mehr Leute mit an sich ganz guten Einkommen müssten der Gemeinde den Rücken kehren. Die Folge wäre eine Schlafstadt für Besserverdienende, die allerdings für jede Besorgung und Dienstleistung weit zu fahren hätten. Denn Geschäfte und vielleicht auch Kinderbetreuungseinrichtungen fänden mangels Wohnraum in der Umgebung kein Personal mehr. Außerdem wäre eine massive und schwer zu kontrollierende Innenverdichtung zu erwarten, schließlich muss jeder Quadratmeter des raren und teuren Baulandes so gut wie möglich ausgenutzt werden. Beides würde dann zu jenem Problem führen, das Kritiker der Verdichtung ebenfalls gerne anführen: zu viel Verkehr. Dass dieser durch mehr Einwohner zunimmt, ist unstrittig. Allerdings ist eine Verkehrsführung in einem neuen Wohngebiet einfacher zu planen, als in einem alten, stark nachverdichteten Baugebiet, dessen kleine Straßen im Gegensatz zur Zahl der Häuser auf den Grundstücken nicht zu vergrößern sind.

Einen Kritikpunkt indes hört man so gut wie nie: Hätte man doch - und das gilt für die gesamte Region - früher etwas dichter gebaut. Stattdessen wurde auch und gerade im Stadtgebiet München zu lange der Häuschen-mit-Garten-Idylle nachgehangen, als längst klar war, dass dies dem Bedarf nicht annähernd gerecht wird. Zuzug können Kommunen schwer steuern, ihren Umgang damit aber schon. Wenn es jetzt sehr viel mehr wird, was auf den Grundstücken entsteht, dann auch deshalb, weil die Frage "darf es ein bisschen mehr sein?" in der Vergangenheit zu oft verneint wurde.

© SZ vom 19.06.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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