Kommentar:Die Mühle dreht sich weiter

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Für einen Zwist sind in aller Regel zwei Parteien verantwortlich. Diese Hypothese verliert allerdings mit der Streitquote des Einzelnen an Aussagekraft. Deshalb sollten sich die Markt Schwabener Gemeinderäte besser keine allzu große Hoffnungen machen

Von Korbinian Eisenberger

Die Mühle dreht sich, das macht es ihrem Insassen - der Redensart nach - schwer, sie zu verlassen. Dennoch wollen die Mitglieder des Gemeinderats Markt Schwaben es wagen: den Mühlenausstieg 2020. Unter dem neuen Bürgermeister, so war am Donnerstagabend in der Gemeinderatssitzung zu vernehmen, soll der mittlerweile historisch lange Streit mit dem widerspenstigsten Ortsbürger beigelegt werden: Dem Professor, der auf dem Sägmühlen-Gelände wohnt. Gezankt wird wegen eines Grundstücks und den dortigen Bauvorhaben. Einmal mehr hat der Gemeinderat nun einem Antrag sein Einvernehmen versagt - und die Absage mit einem Friedensangebot dekoriert. In der Hoffnung, der Mühle endlich zu entkommen.

Hoffnung. Der römische Dichter Ovid sah dieses Gefühl schon vor 2000 Jahren kritisch. Sein Satz "Hoffen und harren, macht manchen zum Narren" ist nun aktuell wie nie. Jedenfalls ist das zu zwei Dritteln neu zusammen gesetzte Gremium gut beraten, wenn es sein Hoffen auf eine - wie es hieß - "konstruktive" oder gar "einvernehmliche Lösung" arg in Grenzen hält. Wo es doch schon so viele mit gut gemeinten Versöhnungsgesprächen mit dem Professor versucht haben. Neun Jahre lang war die Sägmühle ein verlässlicher Begleiter von Stolzes Vorgänger Hohmann. Der SPD-Mann hatte diplomatisches Talent. Doch der Mann von der Sägmühle ließ Hohmann mit seinem Latein am Ende stets dumm dastehen.

Was riete der Lateiner Ovid, in Zeiten von Covid? Er würde vielleicht Weitsicht empfehlen. Zur Erkenntnis, dass der Professor von der Sägmühle nicht nur in Markt Schwaben Attribute einer Nervensäge zur Schau trägt, sondern dem Vernehmen nach in anderen Teilen der Bundesrepublik gegen Nachbarn und Kommunen prozessiert.

In aller Regel sind für Zwist stets zwei geneigte Streithansel verantwortlich. Diese Hypothese verliert allerdings mit der Streitquote des Einzelnen an Aussagekraft. Es wäre keine Überraschung, würden die Versöhnungs-Hoffnungen der Markt Schwabener Kommunalpolitiker einmal mehr an Paragrafen und Anwälten zerschellen. Hoffen und harren wird wohl nicht reichen. Ovid versucht es mit Trost: "Auch das Weinen bietet eine gewisse Lust."

Hinweis: In einer früheren Version des Textes war irrtümlicherweise die Rede von einem "selbst ernannten" Professor. Zudem hieß es in einer früheren Textversion: "Einmal mehr hat der Gemeinderat nun einen Antrag abgelehnt (...)." Richtig ist, dass der Gemeinderat lediglich sein Einvernehmen mit dem Bauantrag des Eigentümers nicht hergestellt hat. Die Entscheidung über diesen Bauantrag liegt nunmehr bei der Unteren Baubehörde des Landratsamts Ebersberg.

© SZ vom 19.09.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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