Kommentar:Die emanzipierte Stadt

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Die Männer hätten sich aufgeführt "wie ein warmes Weißbier im Glasl", als sie bemerkten, dass die Frauen statt in den Backofen politisch nicht in die Röhre schauen wollten, erinnerte sich die langjährige Ortsvorsitzende Tilde Putz bereits bei der 40-Jahr-Feier des FU-Kreisverbandes im Jahr 2010. Nun feierte der Grafinger FU-Ortsverband den runden Geburtstag

Von Karin Kampwerth

Was hat Grafings Grünen-Bürgermeisterin Angelika Obermayr mit der Frauen-Union zu tun? Immerhin gehört die Arbeitsgemeinschaft zur CSU, und die ist in Bayern doch einigermaßen weit entfernt von der politischen Heimat Obermayrs. Dennoch kann man sich zu der These versteigen, dass Grafing nur deshalb eine grüne Rathauschefin hat, weil die schwarzen Frauen seit 1977 in der Stadt so engagiert Politik machen.

Freilich, vor 40 Jahren haben die CSU-Granden die Frauen-Union als Kuchenbackkommando gesehen, das ihre Zusammenkünfte mit Gebäck statt Gesprächen bereichert. Die Männer hätten sich aufgeführt "wie ein warmes Weißbier im Glasl", als sie bemerkten, dass die Frauen statt in den Backofen politisch nicht in die Röhre schauen wollten, erinnerte sich die langjährige Ortsvorsitzende Tilde Putz bereits bei der 40-Jahr-Feier des FU-Kreisverbandes im Jahr 2010. Zurecht haben die Grafingerinnen sich nun gefeiert, weil sie durchsetzten, dass sie "zwar nicht auf dem Tisch tanzen wollten, aber auch nicht darunter hocken, sondern mit daran sitzen" - ein weiteres Bonmot der inzwischen 91-jährigen Tilde Putz.

Auch ihre Nachfolgerinnen wie die heutige Bezirksrätin Susanne Linhart haben erfolgreich dazu beigetragen, dass sich Grafing kommunalpolitisch emanzipiert hat. Das darf sich die Frauen-Union zum Geburtstag definitiv mit auf die Fahnen schreiben. Insofern war es eine logische Folge, dass sich im Bürgermeisterwahlkampf 2014 mit Susanne Linhart und Angelika Obermayr gleich zwei Frauen um den Chefsessel im Rathaus bewarben - und mit der Art ihres freundlich-fairen aber bestimmten Wahlkampfes nicht nur ihren Kontrahenten Heinz Fröhlich (Bündnis für Grafing) blass aussehen ließen, sondern wohl auch jeden anderen Gegenkandidaten in die Ecke gestellt hätten. Und auch, wenn die Wahl zugunsten von Angelika Obermayr ausgegangen ist, dürfte sich die Frauen-Union darin grün mit der Bürgermeisterin sein, dass der Stadtpolitik der weibliche Anstrich äußerst gut tut.

© SZ vom 18.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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