Kommentar:Der nächste Bluff?

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Das tolle Vaterstettener Logistikzentrum ist wohl nicht mehr, als ein Ablenkungsmanöver. Die Chancen, dass BMW wirklich nach Parsdorf zieht, sind überschaubar

Von Wieland Bögel

Bei Lebensberatern wie Kalendermachern anhaltend beliebt sind die Strategeme von Tan Daoji, eine Sammlung weiser Sprüche, die der vor 15 Jahrhunderten lebende General der Nachwelt hinterlassen hatte. Im Vaterstettener Rathaus scheint es eine Ausgabe davon zu geben oder wenigstens einen Weise-Sprüche-Kalender, zumindest deutet die Strategie zur Entwicklung eines neuen Gewerbegebietes an der A 94 darauf hin.

Begonnen hatte diese mit Strategem Nummer 13, welches rät, auf das Gras zu schlagen, um die Schlange aufzuscheuchen. So hatte man in Vaterstetten Anfang des Jahres kräftig auf den Busch geklopft, um das seit Jahren schlummernde Projekt nördlich der Autobahn wieder ins Bewusstsein zu rücken. Nichts weniger als die neue Münchner Großmarkthalle hätte da in Parsdorf entstehen sollen - natürlich ein Bluff, ein doppelter sogar. Die Münchner Obsthändler konnten ihre Verhandlungsposition mit der Stadt stärken, die Vaterstettener bekamen Aufmerksamkeit. Besonders in Parsdorf, wo die Bewohner sofort gegen den zu erwartenden Lastwagenverkehr protestierten - mit dem Erfolg, dass man bei der Gemeinde nun bei jedem anderen Projekt sagen kann: "Aber besser als die Markthalle". Statt derer soll nun ein renommierter Autobauer einziehen, der auch noch üppig Gewerbesteuer zahlt, wer könnte da nein sagen?

Doch es ist nicht auszuschließen, dass das der nächste Bluff ist, frei nach Strategem Nummer sechs: "Im Osten lärmen, im Westen angreifen". Das tolle Logistikzentrum ist wohl nicht mehr als ein Ablenkungsmanöver. Die Chancen, dass BMW wirklich nach Parsdorf zieht, sind bei mindestens zwei weiteren möglichen Standorten überschaubar. Um was es offenbar wirklich geht, ist Zeitdruck aufzubauen, mit Verweis auf die straffen Pläne des Autobauers, und sich dabei durch die Hintertür schnell und nebenbei beim Gemeinderat das Okay für eine Beteiligung am Gewerbegebiet zu holen - wie auch immer diese aussehen wird. Über das Motiv kann man nur spekulieren, vielleicht will der Investor, nachdem er jahrelang auf nutzlosen Grundstücken gesessen hat, endlich Geld sehen, und hat der Gemeinde ein Angebot gemacht, von dem die Verwaltung glaubt, es nicht ablehnen zu können.

Nun ist eine Beteiligung der Gemeinde per se nicht schlecht - sie sollte aber gut überlegt sein, gerade wegen der vermutlich nicht unerheblichen finanziellen Folgen. Ob dazu in einer gerade einmal auf 30 Minuten angesetzten nichtöffentlichen Beratung Gelegenheit besteht, darf durchaus bezweifelt werden. Die Gemeinderäte sollten sich also vielleicht auf die letzte Weisheit des Tan Daoji besinnen. Sie rät beizeiten zum taktischen Rückzug.

© SZ vom 13.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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