Kommentar:Das Recht auf einen Knall

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Es gibt viele gute Gründe, die Böllerei an Silvester blöd zu finden. Ein Verbot ginge dennoch zu weit

Von Wieland Bögel

Die haben doch einen Knall! Der Gedanke kann einem schon kommen, wenn man in den Tagen kurz vor Jahresende in manche Einkaufswagen schaut. Da stapeln sich Schwarzpulverprodukte in Mengen, mit denen sich eine beliebige Schlacht des Dreißigjährigen Krieges nachstellen ließe - ein geruhsamer Jahreswechsel ist da sicher nicht geplant. Und ganz billig ist das ja auch nicht, vor allem, wenn man bedenkt, wie wenig letztlich davon bleibt - Bumm und Schluss und Hunderte von Euro gehen in Rauch auf. Der auch noch stinkt und nicht gesund ist. Und erst der Anblick am nächsten Morgen - mit Flashback-Option im Frühjahr, wenn der Schnee schmilzt. Angekokelter Müll, soweit das Auge reicht. Ja, es gibt genügend Gründe, die Silvesterknallerei doof zu finden - noch doofer wäre es allerdings, mit Verboten dagegen vorzugehen.

Denn erstens handelt es sich, bei aller verständlicher Unlust der Knallerei gegenüber, um ein doch eher kurzfristiges Ärgernis. An einem Tag von 365, und da auch nur für wenige Stunden, wird geböllert und geschossen. Auch die Geldverschwendung hält sich bei genauerem Hinsehen in Grenzen: Zwar geben die Bundesbürger etwa 140 Millionen Euro für Feuerwerk aus - pro Person macht das allerdings gerade einmal 1,75 Euro im Jahr, also weniger als einen halben Cent pro Tag. Alles in allem also ein vielleicht etwas beklopptes Vergnügen, aber eines mit überschaubaren Folgen. Was sich für ein Verbot nicht unbedingt sagen ließe: Dieses wäre nämlich teurer als die Ballerei, es müsste ja kontrolliert werden. Auch für die Umwelt wäre wenig gewonnen, schließlich sind die Kontrolleure auf Fahrzeuge angewiesen - die Krach machen und stinken. Und nicht zuletzt käme früher oder später die Frage, warum man es bei einem Feuerwerksverbot belassen sollte. Weihnachtsbeleuchtung verbraucht jährlich 600 Millionen Kilowattstunden Strom, Flugreisen belasten das Klima und die Ohren der Anwohner, für manche ist jede Tierhaltung - auch von Mauzerle und Wuffel - Quälerei, Schokolade zu essen ist ein Vergehen am solidarischen Krankenkassensystem, und so weiter und so fort.

Gerade in einer Zeit, in der der Konformismus auch und besonders durch den Gruppenzwang der "sozialen" Medien in beängstigender Weise zunimmt, ist es schön, wenigstens ein Mal im Jahr noch einen Knall haben zu dürfen.

© SZ vom 05.12.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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