Kommentar:Das Drehbuch ist nicht alles

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Die "Weiherspiele" ohne eigenes Stück? Das mag zunächst enttäuschen. Doch die Entscheidung des Theatervereins ist sehr gut nachvollziehbar

Von Anja Blum

Im ersten Moment macht sich vielleicht Enttäuschung breit: Toll, es wird wieder "Weiherspiele" geben - aber diesmal ohne ein selbst geschriebenes Stück?! Sind das dann überhaupt noch die Weiherspiele, die sich seit mehr als 30 Jahren großer Beliebtheit erfreuen? Schließlich waren die humor- wie fantasievollen Geschichten, die in dem Markt Schwabener Freilufttheater erzählt wurden, doch ein, wenn nicht das Markenzeichen dieser Bühne. In vergangene Zeiten konnte man dort reisen, und in ferne Länder, König Ludwig genauso begegnen wie griechischen Göttern oder Loch Ness, dem Seeungeheuer.

Ja, tatsächlich, diese Einzigartigkeit wird im kommenden Sommer fehlen. Der Theaterverein hat sich dazu entschieden, heuer einen bayerischen Klassiker auf die Seebühne zu bringen, den "Brandner Kaspar". Doch diese Entscheidung ist absolut nachvollziehbar - und auch weniger bedauerlich, als es im ersten Moment vielleicht erscheint.

Zunächst einmal nämlich muss man sich vergegenwärtigen, dass die Weiherspiele von viel mehr leben als von eigenen Stücken. Bunte Lichter, die sich im Wasser spiegeln, Melodien zum Mitsummen, humorvolle Geschichten, märchenhaft-spektakuläre Kulissen: Der Teich unterhalb des Markt Schwabener Rathauses war lange ein sommerlicher Sehnsuchtsort. Ein Hort der Kreativität, der Unterhaltung, des geselligen Lebens. Und das kann er auch ohne ein originäres Drehbuch sein. All das kann auch der Brandner Kaspar bieten.

Zudem wäre es vermessen, an einen Theaterverein in der Krise keine Zugeständnisse zu machen. Die Weiherspiele waren stets getragen vom Engagement und Einfallsreichtum vor allem eines Mannes, von Autor, Intendant und Regisseur Josef Schmid. Doch nach mehr als 30 Jahren hat er eben Abschied genommen, und das ist ihm auch nicht zu verübeln. Nun, nach einer schöpferischen Pause, wollen die neuen Verantwortlichen weitermachen, wollen das Publikum zurückerobern - und dabei auf Nummer sicher gehen. Sowohl finanziell als auch künstlerisch. "Die Weiherspiele müssen ja auf Dauer funktionieren, nicht nur ein Mal", betont der Vorsitzende Franz Stetter. Deswegen soll heuer ein bekanntes Stück die Menschen erst einmal dazu bewegen, wieder zahlreich an der Weiher zu kommen. Und viel Aufwand wird die Inszenierung trotzdem mit sich bringen.

Gelinge die Neuauflage, sehe man weiter, heißt es aus dem Vorstand, das Konzept "Bühnenklassiker" sei beileibe nicht in Stein gemeißelt. Ehrenvorsitzender Schmid jedenfalls freue sich schon sehr auf die Fortsetzung der Weiherspiele 2018. Und der muss es ja wissen.

© SZ vom 18.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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