Kommentar:Dann eben Blumen

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Die Absage des Grafinger Weihnachtsmarktes zeigt, dass es eine Umgestaltung des Marktplatzes wohl so bald nicht geben wird - trotz Umfahrung

Von Thorsten Rienth

Der Marktplatz werde kaum wiederzuerkennen sein, so die Prophezeiung. Mit weniger Abgasen und Lärm, dafür mit Ruhe und Platz zum Herumsitzen, Kaffee trinken, Ratschen. Eine Piazza suggerierten sie, Grafing als zweitnördlichste Stadt Italiens, attraktiv und gefahrlos für Fußgänger und Radlfahrer. Das Szenario kam nicht etwa von Grünen oder der SPD. Sondern von CSU und Freien Wählern - und sie knüpften es an die Prämisse, dass die Ostumfahrung gebaut würde und den Durchgangsverkehr aus der Innenstadt halte.

Ausgerechnet zur feierlichen Trasseneröffnung wird deutlich, dass es diesen zweiten Teil des großen Ostumfahrungsversprechens nicht geben wird. Zumindest nicht in absehbarer Zeit und nicht mit den aktuellen politischen Akteuren. Anders lässt sich das Gezerre um - oder besser gesagt: gegen - den Grafinger Weihnachtsmarkt kaum interpretieren.

Im Juli hatte eine Gruppe Unternehmer lautstark Stimmung gegen die Traditionsveranstaltung gemacht: Der Markt belege Parkplätze und die seien nun mal wichtig fürs Geschäft. Es ging zwar nur um rund 30 Stellflächen, doch der Bohei reichte für eine Absage. Denn der Zusammenschluss der Weihnachtsmarktgegner ist mächtig: Mit Franz Saißreiner und der CSU-Fraktion sitzt ihr personalstarker politischer Arm im Grafinger Stadtrat.

Wie laut mag dessen Aufschrei erst sein, wenn die Eckpunkte einer Marktplatzumgestaltung zur Diskussion stehen? Wer in einer Innenstadt mehr Raum schaffen möchte fürs öffentliche Leben, kommt um die Reduzierung von Parkplätzen schließlich nicht herum. Doch daraus ist kein Problem zu konstruieren, denn Grafing hat vorausschauend geplant. Hunderttausende steckte die Stadt in den vergangenen Jahren in zentrumsnahe Parkalternativen: hinter der Rotter Straße 8, unter dem neu bebauten alten Brauereigelände, am alten Gärtnereigelände an der Gartenstraße, in die Tiefgarage in der Lagerhausstraße.

Dass sich die Marktplatzunternehmer um ihr Geschäft sorgen, mag nachvollziehbar sein. Das Hauptargument, direkte Parkplätze generierten Umsätze, ist dagegen längst überholt. Mehr Leute kommen heute erst, wenn die Innenstädte fußgänger- und fahrradfahrerfreundlich sind. Ansonsten bestellen sie ihre Sachen im Internet, die kostenlose Lieferung meist inklusive. Am Marktplatz macht dafür die nächste Bankfiliale oder Versicherungsagentur auf.

Wenn Unternehmer diese neuen Kausalitäten nicht auf dem Schirm haben, ist das ihre Sache - sie schaden sich selbst. Wenn die Stadtratsmehrheit allerdings genauso antiquiert denkt, sollte sie sich Umgestaltungsdebatten und Ressourcen besser gleich sparen. Dann tun es auch ein paar Blumenkästen. Und für das Piazzagefühl fährt man dann halt wieder über den Brenner.

© SZ vom 21.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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