Kommentar:Coolness schlägt Drängelei

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Die Stadt wollte die Jugendlichen vom Grafinger JIG unter Druck setzen - doch diese Strategie hat nicht funktioniert

Von Thorsten Rienth

Als sich die Grafinger Bürgermeisterin Angelika Obermayr (Grüne) am Donnerstagabend auf die kleinen Bühnenstufen im Grafinger JIG setzte, war klar: Es würde gleich Neuigkeiten geben. Kaum denkbar schließlich, dass die Rathauschefin den gleichzeitig tagenden Energiebeirat sausen lassen würde, nur um bei den Jugendlichen Druck zu machen. Für die jungen Leute hatte sie sogar gute Nachrichten dabei: Entgegen vorherigen Aussagen ließen sich kaputte Heizung und Wasserversorgung wohl doch noch reparieren, berichtete sie. Zumindest so lange, bis in einigen Jahren die ohnehin geplante große Sanierung des Gebäudes losgeht. Ein paar wenige zehntausend Euro würde diese "RO8"-Zwischensanierung kosten. Das ist ein überschaubarer Betrag. Der diesjährige Investitionshaushalt der Stadt liegt bei knapp neun Millionen Euro.

Mit ihren Neuigkeiten konnte Obermayr die prekäre Lage gerade noch einmal entschärfen. Hineinmanövriert hatte sich die Stadt selbst. Sie suggerierte den Jugendlichen, über den Umzug frei entscheiden zu können. Doch in Wirklichkeit legte sie die Daumenschrauben an: Das JIG könne ja gerne in der Rotter Straße bleiben, stellte Obermayr in der jüngsten Stadtratssitzung klar. Aber halt ohne Toiletten und Heizung - also gar nicht. So lässt sich vielleicht die Entscheidungsfindung in einer hierarchisch organisierten Stadtverwaltung beschleunigen. In einem selbstverwalteten Jugendtreff mit ergebnisoffenen Debatten und basisdemokratischen Entscheidungsstrukturen ist die Taktik kontraproduktiv. Parallel wurde schon mal die fürs Kiermeierhaus nötige Nutzungsänderung ausformuliert. So, als sei das Votum der JIG-Vollversammlung eine lästige Formsache, zu der man die Jugendlichen schon zu drängeln wüsste.

Doch die blieben cool. Zuerst verwiesen sie auf die Nachteile der neuen Heimat, die ihnen angeboten wurde. Dann auf den geltenden Nutzungsvertrag. Am Ende sagten sie: So nicht. Spannend wird jetzt die Reaktion aus dem Stadtrat. Der ist in den vergangenen zwei, drei Wochen durch eine Menge Solidaritätsbekundungen an die Adresse des JIG aufgefallen. Wenn diese nicht einfach nur da waren, um Bürgermeisterin Obermayr zu ärgern, muss der Stadtrat die Zwischensanierung jetzt zügig auf den Weg bringen.

© SZ vom 18.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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