Kommentar:Bewusstes Versteckspiel

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Bürgermeisterin Obermayr eine neue Transparenz in der Grafinger Stadtpolitik. Zwei Jahre später ist davon nicht mehr viel übrig

Von Thorsten Rienth

Regelmäßige Besucher von Grafinger Stadtratssitzungen können diese Implikation langsam vorhersehen: Wenn die sonst recht redseligen Stadträte beim öffentlichen Tagesordnungspunkt auffallend wortkarg sind, folgt im dazugehörigen nicht-öffentlichen Teil die große Überraschung. Bei der Frage um die Flüchtlingsunterkunft neben dem neuen Bauhof war es wieder soweit. Im öffentlichen Teil votierte der Stadtrat - schnell, schnell - für die grundsätzliche Verwendung des Areals für eine Unterkunft. Nichtöffentlich kam dann die interessante Nachricht: Die Verhandlungen mit dem Investor platzten. Stattdessen will die Stadt nun selbst bauen. Ob das nun eine gute Idee ist oder nicht, wird sich zeigen. Für eine ernsthafte Bewertung ist die Informationslage zu dünn.

Damit setzt sich etwas fort, womit Grafing bei der Flüchtlingsunterkunft schon mehrmals negativ auffiel. Verwaltung und Stadtrat planten, verhandelten und pokerten. Was hinter den Kulissen eigentlich genau passierte, damit ließ man die Grafinger bequemerweise im Dunkeln. Selbstverständlich muss die Stadt keine Details öffentlich machen, die ihre eigene Verhandlungsposition untergraben. Aber die Informationspolitik der vergangenen Monate war keine berechtigte Zurückhaltung mehr. Sie artete in einem Versteckspiel aus. Am Tag nach der Sitzung auf den aktuellen Stand und eventuelle Beschlüsse angesprochen, antwortete Bürgermeisterin Angelika Obermayr (Grüne): "Ich sage jetzt nichts dazu." Eine dürftige Antwort für jemanden, der vor zwei Jahren damit angetreten war, bei der Transparenz neue Maßstäbe anzulegen. Dürftig allerdings auch vom Stadtrat, dass er diese Politik stillschweigend mitträgt. Die Stadträte hatten den neuen Politikstil nicht weniger laut postuliert.

Die Taktik hinter dem Versteckspiel ist rätselhaft. Es gehört zum kleinen Einmaleins der Kommunikationspolitik, dass Zugeknöpftheit die Gerüchteküche erst recht anheizt. Das wird auch in diesem Fall so sein. Denn zwei essenzielle Fragen, die jeden Grafinger ganz direkt betreffen könnten, bleiben unbeantwortet: Wie gedenkt die Stadt, die Millioneninvestition zu finanzieren? Und gibt es Projekte, die im Gegenzug gestrichen werden müssen? Mindestens bis zur nächsten Bauausschusssitzung haben die Grafinger nun Zeit, darüber allerlei Vermutungen anzustellen - und eben diese fleißig weiterzuverbreiten.

© SZ vom 21.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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